Dannecker und seine Beziehungen zu Rußland
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Jahre als Großfürstin hatte sie in ihrem goldenen Käfig — ebenso wie ihr Mann von
dessen kaiserlicher Mutter streng von allen Regierungsgeschäften ferngehalten — reich-
lich Gelegenheit, an ihre so ferne Heimat zurückzudenken-, um sich weniger einsam zu
fühlen, hatte ohne Zweifel sie die Anregung dazu gegeben, daß einer ihrer Brüder nach
dem anderen in russische Dienste trat, zunächst Friedrich, der spätere erste württem-
bergische König, der den preußischen Generalsrock mit dem russischen vertauschte
und erst in Finnland, dann in Petersburg, also in ihrer nächsten Nähe, als Gouverneur
tätig war, bis ihn der Schlaganfall seines Vaters zur Prinzregentschaft nach Stuttgart
zurückrief, dann Prinz Louis (f 1817), Prinz Carl (f 1791) und Prinz Alexander (j- 1833);
alle diese württembergischen Prinzen waren russische Generale, ebenso ihr Neffe Eugen
Friedrich (f 1857), der sich der besonderen Gunst Pauls erfreute, ja von diesem sogar
als sein Nachfolger in Aussicht genommen war. Und die Tochter der Maria Feodorowna,
die Katharina Paulowna, wurde 181 4 die zweite Gemahlin des Königs Wilhelm I. von
Württemberg; und dessen Nachfolger König Karl heiratete 1846 die russische Kaiser-
tochter Olga, der Großfürst Michael vermählte sich 1824 mit der württembergischen
Prinzessin Charlotte Friederike ( Helene Paulowna), und der Enkel des Herzogs Eugen
Friedrich, Eugen, führte noch 1874 die Tochter des Großfürsten Konstantin, Wera, heim.
All das waren Verwandtenehen innerhalb der Nachkommenschaft des nur zwei Jahre
regierenden württembergischen Herzogs Friedrich Eugen. —
Und diesen Fürsten zu modellieren, dazu war der Hofbildhauer Dannecker zweimal
ausersehen. Das eine Mal handelt es sich um das lebensgroße Kniestückrelief in Marmor
von 1798, das noch heute an der ursprünglichen Stelle, im alten Marmorsaal des Stutt-
garter Residenzschlosses, zu sehen ist (Abb. 23); es bildet das Gegenstück zu dem inter-
essanteren Relief des Herzogs Carl Eugen, das noch von Danneckers Lehrer und Amts-
vorgänger, Pierre Francois Lejeune, kurz vor seiner Rückkehr in seine belgische Heimat
geschaffen worden war. Ungleich wichtiger aber ist die Marmorbüste desselben Herr-
schers (Abb. 25) vom Jahre 1797. Seine Tochter in Rußland wollte sie haben, und für
sie ist sie auch gemacht worden.
Die erste gedruckte Nachricht davon finden wir in dem bekannten zeitgenössischen
Kompendium „Meusels Neue Miscell. art. Inhalts“ VIII (1798,8. 1075), wo uns gemeldet
wird, daß Professor Dannecker dieses Brustbild der russischen Kaiserin übersandt hat
und dafür einen reichen Brillantring bekam. Ausführlicher berichtet darüber der
Künstler selbst in seinen Briefen an Caroline und Wilhelm von Wolzogen; der Ring
„kann 80 Louisd’ors werth sein“, schreibt er; aber neben der Bezahlung, die er „nach
Willkür ansetzen durfte“, kommt gleichzeitig der Ruf nach Petersburg.
Der Ruf nach Petersburg! — Welches Aufsehen mag das in dem damaligen Stutt-
gart gewesen sein, als sich das herumsprach; wie sehr mögen der Hof baumeister Fischer
und namentlich seine Hauptrivalen Scheffauer und Isopi den Glückspilz beneidet haben!
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Jahre als Großfürstin hatte sie in ihrem goldenen Käfig — ebenso wie ihr Mann von
dessen kaiserlicher Mutter streng von allen Regierungsgeschäften ferngehalten — reich-
lich Gelegenheit, an ihre so ferne Heimat zurückzudenken-, um sich weniger einsam zu
fühlen, hatte ohne Zweifel sie die Anregung dazu gegeben, daß einer ihrer Brüder nach
dem anderen in russische Dienste trat, zunächst Friedrich, der spätere erste württem-
bergische König, der den preußischen Generalsrock mit dem russischen vertauschte
und erst in Finnland, dann in Petersburg, also in ihrer nächsten Nähe, als Gouverneur
tätig war, bis ihn der Schlaganfall seines Vaters zur Prinzregentschaft nach Stuttgart
zurückrief, dann Prinz Louis (f 1817), Prinz Carl (f 1791) und Prinz Alexander (j- 1833);
alle diese württembergischen Prinzen waren russische Generale, ebenso ihr Neffe Eugen
Friedrich (f 1857), der sich der besonderen Gunst Pauls erfreute, ja von diesem sogar
als sein Nachfolger in Aussicht genommen war. Und die Tochter der Maria Feodorowna,
die Katharina Paulowna, wurde 181 4 die zweite Gemahlin des Königs Wilhelm I. von
Württemberg; und dessen Nachfolger König Karl heiratete 1846 die russische Kaiser-
tochter Olga, der Großfürst Michael vermählte sich 1824 mit der württembergischen
Prinzessin Charlotte Friederike ( Helene Paulowna), und der Enkel des Herzogs Eugen
Friedrich, Eugen, führte noch 1874 die Tochter des Großfürsten Konstantin, Wera, heim.
All das waren Verwandtenehen innerhalb der Nachkommenschaft des nur zwei Jahre
regierenden württembergischen Herzogs Friedrich Eugen. —
Und diesen Fürsten zu modellieren, dazu war der Hofbildhauer Dannecker zweimal
ausersehen. Das eine Mal handelt es sich um das lebensgroße Kniestückrelief in Marmor
von 1798, das noch heute an der ursprünglichen Stelle, im alten Marmorsaal des Stutt-
garter Residenzschlosses, zu sehen ist (Abb. 23); es bildet das Gegenstück zu dem inter-
essanteren Relief des Herzogs Carl Eugen, das noch von Danneckers Lehrer und Amts-
vorgänger, Pierre Francois Lejeune, kurz vor seiner Rückkehr in seine belgische Heimat
geschaffen worden war. Ungleich wichtiger aber ist die Marmorbüste desselben Herr-
schers (Abb. 25) vom Jahre 1797. Seine Tochter in Rußland wollte sie haben, und für
sie ist sie auch gemacht worden.
Die erste gedruckte Nachricht davon finden wir in dem bekannten zeitgenössischen
Kompendium „Meusels Neue Miscell. art. Inhalts“ VIII (1798,8. 1075), wo uns gemeldet
wird, daß Professor Dannecker dieses Brustbild der russischen Kaiserin übersandt hat
und dafür einen reichen Brillantring bekam. Ausführlicher berichtet darüber der
Künstler selbst in seinen Briefen an Caroline und Wilhelm von Wolzogen; der Ring
„kann 80 Louisd’ors werth sein“, schreibt er; aber neben der Bezahlung, die er „nach
Willkür ansetzen durfte“, kommt gleichzeitig der Ruf nach Petersburg.
Der Ruf nach Petersburg! — Welches Aufsehen mag das in dem damaligen Stutt-
gart gewesen sein, als sich das herumsprach; wie sehr mögen der Hof baumeister Fischer
und namentlich seine Hauptrivalen Scheffauer und Isopi den Glückspilz beneidet haben!