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28

Hermann Voss

fertigt und weit mehr als eine Modeerschei-
nung, gibt es doch kaum eine unter den spät-
italienischen Schulen, die eine solche Ver-
feinerung der malerischen Kultur, so viel
Sicherheit des Geschmackes und liebens-
würdige Anmut der Erfindung wie diese
aufzuweisen hat. Volle Beherrschung aller
dekorativen Anforderungen — vom monu-
mentalen Wand- und Deckenfresko bis zur
Boudoirsupraporte — verbindet sich mit einer
Individualisierung und Vergeistigung des Ma-
lerischen im engeren Sinne, die uns manche
Erzeugnisse eines Guardi oder Tiepolo als
Vorboten modernster Bestrebungen erschei-
nen läßt.
Ein besonderer Beiz ist der Reichtum an
verschiedenartigen Persönlichkeiten, auch
unter den Leuten der zweiten Linie. Tiepolo,
Ricci und Piazzetta, Ganaletto und Guardi
besaßen in stärkerem oder geringerem Grade
wohl stets ihre Verehrer; abgesehen von
ihnen aber lernten wir in neuester Zeit Amigoni, Pittoni, Pellegrini, Bazzani, Marieschi
und Diziani kennen und würdigen, um nur einige von jenen allen zu nennen, die sich
allmählich aus dem großen Sammelbecken der spätvenezianischen Malerei als interessante
Persönlichkeiten von ausgeprägter Physiognomie herauslösen.
Der Schar dieser erst in den letzten Jahren bekanntgewordenen kleineren, aber keines-
wegs gering zu achtenden Sterne ist auch Francesco Fontebasso anzureihen, über dessen
biographische Daten zwar ein sorgfältiger Aufsalz in Thieme-Beckers Künstlerlexikon alles
Wissenswerte mitteilt, der aber als Schaffender dennoch völliger Vergessenheit anheim-
gefallen ist. Von Fontebassos äußeren Lebensumständen sei nur erwähnt, daß er 1709 in
Venedig geboren und 1768 oder 1769 ebenda gestorben ist; daß er um 1780 Schüler Seb.
Riccis war und sich dann auf Studienreisen (u. a. in Rom) weiterbildete, wobei der Einfluß
G. B. Tiepolos für ihn mehr und mehr der ausschlaggebende wurde. 1730 wurde er Mit-
glied der neugeschaffenen venezianischen Akademie, der er mit der Unterbrechung einer
kurzen Tätigkeit als Hofmaler in Petersburg (1 760-62) bis zu seinem Tode angehört hat.
Fontebassos Schaffen hat wohl zu einem großen Teil deshalb wenig Beachtung erfahren,
weil seine Zeugnisse weit zerstreut und dem durchschnittlichen Reisenden nicht leicht zu-
gänglich sind. Wenig befindet sich in Venedig selber, nichts davon an den berühmten,

Abb. 12. Fontebasso, Der hl. Hieronymus
Paris, Louvre
 
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