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Mittelalterliche Bildwerke im Hamburgischen Museum für Kunst und Gewerbe 61

darüber und daneben je ein
Mönch, Novize, Priester und
Nonne. Mit Ausnahme des seit-
lich blickenden Priesters sind
alle in Vordersicht gegeben, als
ob der Künstler sich nicht ge-
nug tun könnte an neuen, den
Reichtum des Ganzen mehren-
denTypen.Dabei ein starkes Ge¬
fühl für die Woldabgewogen-
heit der kompositionell einzig¬
artigen Gruppe, die, in Nutzung
kleinsten Baumes, keineswegs
den bemitleidenswerten Ein¬
druck gequetschter, im Gewirr
hilfloser Masse macht. Die
gegenteilige Wirkung, durch
langausspielende Saumfalten
der drei großen Vordergrunds¬
figuren ins Großzügige abge¬
wandelt, verhilft der miniatur-
haft feinen Arbeit zu fast monumentalem Gepräge. Das um 1320 zu datierende, nach
Angabe des Vorbesitzers aus Memmingen stammende Relief eines unbekannten und
in den südschwäbischen Kreis zu verweisenden Meisters steht stilistisch zwischen den
Arbeiten des sogenannten Meisters der Biberacher Sippe (Gröber Taf. 32 u. 33) und des
Meisters der Mindelheimer Sippe (Gröber Taf. 64). Mit beiden hat es die künstlerische
Herrschaft über eine mehrfigurige Gruppe gemein, von dem ersten trennt es eine gleich-
mäßige, ohne akzentuierende Einschnitte kompositioneller Art sich gebende Gruppie-
rung, vom letzeren eine mit feinen Mitteln unter Vermeidung bewußter korrespon-
dierender Kopf- und Körperhaltung wirkende seelische Gleichgewichtsstimmung. Das
von Brinckmann mit dem unseren in Verbindung gebrachte Eichenholzrelief der frühe-
ren Sammlung Wenke (Lempertzkat. der Sämig. H. Wenke, Köln 1898, Nr. 222) macht
nach der dortigen Abbildung den Eindruck einer raffinierten, in Anlehnung an unser
Relief gemachten Fälschung. Die zeitfremde Absichtlichkeit einiger um jeden Preis den
Beschauer anblickender Köpfe, der mißlungene Wechsel zwischen enger Anlehnung
und absichtlich wirkenden Freiheiten, Eichenholz bei einer als schwäbisch charakteri-
sierten Arbeit sprechen dafür.
 
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