1. Kap. Preußen. IV. Die gewerblichen Fortbildungsschulen.
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bringend aufbauen könnte, ist bereits an anderer Stelle hingewiesen worden.
Einen ebenfalls wunden Punkt bildet auch heute noch die Lehrmittelfrage, da die
zur Verfügung stehenden Mittel, wenn überhaupt solche vorhanden sind, meistens
viel zu gering sind, um die notwendigsten Modelle zu beschaffen. Aus dem letz-
teren Umstand ergibt sich deshalb die bedauerliche Tatsache, daß an vielen Schulen
der Zeichenunterricht im Kopieren von Vorlagen besteht, sogar vielfach das so-
genannte „Fachzeichnen"!
Daß die Unterrichtsverwaltung den festen Willen hat, alle diese Mängel nach
und nach unter Aufbringung sich immer mehr steigernder Geldmittel zu heben,
kann nicht mehr bezweifelt werden, und als ein hervorragendes Mittel zur all-
mählich durchgreifenden Besserung der bestehenden Verhältnisse muß die Ein-
richtung der fachmännischen Beaufsichtigung der gewerblichen Schulen, ins-
besondere des Zeichenunterrichtes angesehen werden. Diese fachmännische
Inspektion besteht in ihren Anfängen seit etwa 10 Jahren, und sie wurde zuerst
in den Provinzen Hannover, Westfalen und Schleswig-Holstein eingeführt, indem
in diesen Landesteilen Direktoren und Lehrer an gewerblichen Schulen als Revi-
soren bestellt wurden, die wiederum unter der Leitung eines Inspektors standen,
zu dem der damalige Direktor der Handwerker- und Kunstgewerbeschule in
Hannover, Lachner, ernannt wurde. Später entschloß sich die Staatsbehörde be-
sondere Regierungs- und Gewerbeschulräte zu ernennen, denen einzelne Regie-
rungsbezirke unterstellt wurden. Der erste dieser Aufsichtsbeamten war der eben
genannte Direktor Lachner, der mit dem Sitz bei der Regierung in Potsdam für
diesen Bezirk und gleichzeitig für den Regierungsbezirk Frankfurt/Oder ernannt
wurde; gleichzeitig behielt er noch die vorher genannten Inspektionsbezirke Hannover,
Westfalen und Schleswig-Holstein eine Reihe von Jahren bei. In der Folgezeit
wurden für Breslau, Düsseldorf, Posen, Arnsberg, Cassel, Oppeln, Schleswig u. a. O.
Regierungs- und Gewerbeschulräte ernannt, und es steht zu erwarten, daß nach
und nach derartige Stellen bei allen Regierungssitzen errichtet werden.
Es muß nun noch die Entwickelung der Methoden des Zeichenunterrichtes im
Anschluß an die früher erwähnten, von der Unterrichtsbehörde aufgestellten
„Grundsätze" eingegangen werden, um ein möglichst umfassendes Bild von der
Lage des Zeichenunterrichtes an den Fortbildungs- und Handwerkerschulen zu
geben. Die früher erwähnten Erlasse aus den Jahren 1879 und 1884 führten, wie
sich immer mehr herausstellte, zu keinem besseren Ergebnis des Zeichenunter-
richtes, so daß die erstrebte Einwirkung desselben auf das Handwerk und die
Kunstindustrie ausblieb. Man entschloß sich deshalb nach eingehenden Beratungen
und Untersuchungen der verschiedensten Methoden eine gründliche Reform des
Zeichenunterrichtes durch Einführung einer einheitlichen Methode herbeizuführen.
Das geeignete Mittel zurDurchführung einer Hebung des Zeichenunterrichtes glaubte
man schließlich in der Methode Dr. Stuhlmanns gefunden zu haben, die vom
preußischen Kultusministerium 1887 in den Volksschulen zur Einführung gelangt
war. Daß mit dieser Methode die erstrebte gründliche Umwandlung des gesamten
Zeichenunterrichtes nicht zu erreichen war, stellte sich nur zu bald heraus. In
der Erkenntnis der völligen Unzulänglichkeit der Methode Stuhlmann hatte sich in
der Stille praktischer unterrichtlicher Arbeit an der Handwerker- und Kunstgewerbe-
schule zu Hannover der hier tätige Lehrer Stillcke mit der Ausarbeitung einer
neuen, nach ihm benannten Methode für den Zeichenunterricht an gewerblichen
Schulen befaßt, die sich mit dem Aufbau des Ornamentes, zuerst des geome-
trischen und im zweiten Teil mit dem Pflanzenornament beschäftigte. Mit Ge-
nehmigung des zuständigen Ministeriums wurde diese Methode zunächst an der
genannten Anstalt, an der sie entstanden war, eingeführt und den an dieser Schule
alljährlich stattfindenden Lehrerkursen zugrunde gelegt. Gleichzeitig gelangte sie
nach und nach in dem vorher genannten Inspektionsbezirk des Zeicheninspektors
Lachner, also in den Provinzen Hannover, Westfalen und Schleswig-Holstein und
darnach auch noch in anderen Provinzen zur Einführung. Es sollte sich jedoch
bald zeigen, daß auch die Methode Stillcke nicht den ungeteilten Beifall der Fach-
lehrerschaft fand; Pfingsten 1901 kam es in Magdeburg auf der Versammlung des
Verbandes deutscher Gewerbeschulmänner nach einem Vortrage über diese Methode
zu recht scharfen Auseinandersetzungen, die erkennen ließen, daß die Gegner der-
selben ein recht ansehnliches Lager bildeten. Zweifellos sind nun diese Magde-
burger Vorgänge bei der Aufsichtsbehörde nicht ohne Einfluß geblieben, und die
Friese, Jahrbuch.
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bringend aufbauen könnte, ist bereits an anderer Stelle hingewiesen worden.
Einen ebenfalls wunden Punkt bildet auch heute noch die Lehrmittelfrage, da die
zur Verfügung stehenden Mittel, wenn überhaupt solche vorhanden sind, meistens
viel zu gering sind, um die notwendigsten Modelle zu beschaffen. Aus dem letz-
teren Umstand ergibt sich deshalb die bedauerliche Tatsache, daß an vielen Schulen
der Zeichenunterricht im Kopieren von Vorlagen besteht, sogar vielfach das so-
genannte „Fachzeichnen"!
Daß die Unterrichtsverwaltung den festen Willen hat, alle diese Mängel nach
und nach unter Aufbringung sich immer mehr steigernder Geldmittel zu heben,
kann nicht mehr bezweifelt werden, und als ein hervorragendes Mittel zur all-
mählich durchgreifenden Besserung der bestehenden Verhältnisse muß die Ein-
richtung der fachmännischen Beaufsichtigung der gewerblichen Schulen, ins-
besondere des Zeichenunterrichtes angesehen werden. Diese fachmännische
Inspektion besteht in ihren Anfängen seit etwa 10 Jahren, und sie wurde zuerst
in den Provinzen Hannover, Westfalen und Schleswig-Holstein eingeführt, indem
in diesen Landesteilen Direktoren und Lehrer an gewerblichen Schulen als Revi-
soren bestellt wurden, die wiederum unter der Leitung eines Inspektors standen,
zu dem der damalige Direktor der Handwerker- und Kunstgewerbeschule in
Hannover, Lachner, ernannt wurde. Später entschloß sich die Staatsbehörde be-
sondere Regierungs- und Gewerbeschulräte zu ernennen, denen einzelne Regie-
rungsbezirke unterstellt wurden. Der erste dieser Aufsichtsbeamten war der eben
genannte Direktor Lachner, der mit dem Sitz bei der Regierung in Potsdam für
diesen Bezirk und gleichzeitig für den Regierungsbezirk Frankfurt/Oder ernannt
wurde; gleichzeitig behielt er noch die vorher genannten Inspektionsbezirke Hannover,
Westfalen und Schleswig-Holstein eine Reihe von Jahren bei. In der Folgezeit
wurden für Breslau, Düsseldorf, Posen, Arnsberg, Cassel, Oppeln, Schleswig u. a. O.
Regierungs- und Gewerbeschulräte ernannt, und es steht zu erwarten, daß nach
und nach derartige Stellen bei allen Regierungssitzen errichtet werden.
Es muß nun noch die Entwickelung der Methoden des Zeichenunterrichtes im
Anschluß an die früher erwähnten, von der Unterrichtsbehörde aufgestellten
„Grundsätze" eingegangen werden, um ein möglichst umfassendes Bild von der
Lage des Zeichenunterrichtes an den Fortbildungs- und Handwerkerschulen zu
geben. Die früher erwähnten Erlasse aus den Jahren 1879 und 1884 führten, wie
sich immer mehr herausstellte, zu keinem besseren Ergebnis des Zeichenunter-
richtes, so daß die erstrebte Einwirkung desselben auf das Handwerk und die
Kunstindustrie ausblieb. Man entschloß sich deshalb nach eingehenden Beratungen
und Untersuchungen der verschiedensten Methoden eine gründliche Reform des
Zeichenunterrichtes durch Einführung einer einheitlichen Methode herbeizuführen.
Das geeignete Mittel zurDurchführung einer Hebung des Zeichenunterrichtes glaubte
man schließlich in der Methode Dr. Stuhlmanns gefunden zu haben, die vom
preußischen Kultusministerium 1887 in den Volksschulen zur Einführung gelangt
war. Daß mit dieser Methode die erstrebte gründliche Umwandlung des gesamten
Zeichenunterrichtes nicht zu erreichen war, stellte sich nur zu bald heraus. In
der Erkenntnis der völligen Unzulänglichkeit der Methode Stuhlmann hatte sich in
der Stille praktischer unterrichtlicher Arbeit an der Handwerker- und Kunstgewerbe-
schule zu Hannover der hier tätige Lehrer Stillcke mit der Ausarbeitung einer
neuen, nach ihm benannten Methode für den Zeichenunterricht an gewerblichen
Schulen befaßt, die sich mit dem Aufbau des Ornamentes, zuerst des geome-
trischen und im zweiten Teil mit dem Pflanzenornament beschäftigte. Mit Ge-
nehmigung des zuständigen Ministeriums wurde diese Methode zunächst an der
genannten Anstalt, an der sie entstanden war, eingeführt und den an dieser Schule
alljährlich stattfindenden Lehrerkursen zugrunde gelegt. Gleichzeitig gelangte sie
nach und nach in dem vorher genannten Inspektionsbezirk des Zeicheninspektors
Lachner, also in den Provinzen Hannover, Westfalen und Schleswig-Holstein und
darnach auch noch in anderen Provinzen zur Einführung. Es sollte sich jedoch
bald zeigen, daß auch die Methode Stillcke nicht den ungeteilten Beifall der Fach-
lehrerschaft fand; Pfingsten 1901 kam es in Magdeburg auf der Versammlung des
Verbandes deutscher Gewerbeschulmänner nach einem Vortrage über diese Methode
zu recht scharfen Auseinandersetzungen, die erkennen ließen, daß die Gegner der-
selben ein recht ansehnliches Lager bildeten. Zweifellos sind nun diese Magde-
burger Vorgänge bei der Aufsichtsbehörde nicht ohne Einfluß geblieben, und die
Friese, Jahrbuch.
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