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Jahrbücher für Kunstwissenschaft — 4.1871

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Riegel, Herman: Ein merkwürdiger Kuperstich der "Poesie" nach Rafael
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https://doi.org/10.11588/diglit.49880#0265

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Ein merkwürdiger Kupferstich der „Poesie“ nach Rafael.
Von Herman Riegel.

Herr Kunsthändler H. Amsler in Berlin erwarb vor Kurzem ein Blatt,
welches nicht lange vorher zu Paris mit zahlreichen anderen Kunstsachen,
die sämmtlich aus der sehr alten Bibliothek des spanischen Marquis
d’Astorga herrührten, versteigert wurde. Dies Blatt ist ein Kupferstich, der
auf den ersten Blick wie Rafael’s „Poesie“ von Marcanton aussieht, jedoch
sich leicht als ein Abdruck der noch nicht völlig vollendeten Platte an-
scheinend zu erkennen giebt. So war das Blatt auch im Auctionskataloge
aufgeführt gewesen und man glaubte in demselben eine besondere Seltenheit
gefunden zu haben, insofern nämlich auf der Tafel, welche der Engel
am rechten Stichrande hält, die Worte „NVM1E AFLATVR“ fehlen. Bis-
her kannte man nur einen einzigen Abdruck der Marcanton’schen Platte ohne
diese Worte, nämlich den, welcher sich in dem Kupferstich - Kabinet zu
London befindet, und man hoffte nun diesem ünicum einen Nebenbuhler
an die Seite stellen zu können, der seiner guten Erhaltung wegen alle
Beachtung verdienen musste. Eine Vergleichung jedoch dieses Astorga’schen
Blattes mit einem Abdruck der Marcanton’schen Platte musste zu ganz
anderen Ansichten führen.
Es zeigte sich zunächst, dass das Astorga’sche Blatt eine weniger
geübte und mit der Technik vertraute Hand erkennen liess, als die
Marcanton’s ist, dann fielen verwischte Stellen auf, welche davon her-
zurühren schienen, dass der Bart nicht geschabt worden war, ferner
machten sich Abweichungen in der Zeichnung bemerkbar und endlich
schienen die Köpfe von geistreicherem und beseelterem Ausdruck als die
beim Marcanton zu sein. Heber die Richtigkeit dieser Beobachtungen waren
Alle, welche die beiden Blätter verglichen, im Allgemeinen einverstanden
und es musste sonach die Angabe des Auctionskataloges und die Meinung,
hier einen seltenen und kostbaren Marcanton zu besitzen, von selbst hin-
fallen. Aber was nun? In Rücksicht des seelenvollen Ausdruckes der
Köpfe und des Umstandes, dass die Arbeit offenbar von Jemand herrühre,
 
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