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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Baldass, Fred von: Neuentdeckten Fresken in der Frauenkirche zu Wiener-Neustadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0283
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Neuentdeckte Fresken in der Frauenkirche zu Wiener-Neustadt

Im Sommer 1912 wurde bei der Restaurierung
der Propsteikirche zu unserer lieben Frau in Wiener-
Neustadt auf dem Triumphbogen ein großes, im
wesentlichen gut erhaltenes Fresko bloßgelegt, das
in seinem ursprünglichen Zustande zu erhalten
glücklicherweise gelungen ist.

Das Fresko besteht aus mehreren Schichten. Die
beiden obersten, provinzielle, qualitativ sehr gering-
wertige Übermalungen des XVI., respektive XVII.Jhs.,
mußten entfernt werden, um das älteste, ungemein
interessante Gemälde sichtbar zu machen. Auf
diesem befinden sich noch größere Partien der zweiten
Redaktion, die ungefähr hundert Jahre nach der
ersten Ausmalung durchgeführt wurde; man hat sie
überall dort erhalten können, wo die älteste Schichte
sehr zerstört ist oder ganz fehlt. Das Fresko, wie
es sich heute präsentiert, besteht also im wesent-
lichen aus zwei Schichten, von der dritten und
vierten sind nur Spuren erhalten, die man stehen
lassen mußte, da sie ohne Beschädigung der älteren
Teile nicht hätten entfernt werden können. Über-
malungen und Ergänzungen fehlen vollständig, nur
im Mantel Christi sind einige kleine Stellen, an denen
die alte Farbe zerstört war, mit einem neutralen
Ton ausgefüllt worden. Der Gesamteindruck ist ein
ungemein bunter, indem helles, in verhältnismäßig
kleinen Flächen verteiltes Gelb, Rot und Graugrün
mit dem Blau des Hintergrundes kontrastiert werden.

Zur älteren Schicht gehört:

Christus thronend in der Mandorla. Mit Aus-
nahme des Kopfes vollständig erhalten. Er sitzt in
sehr archaisierender Stellung (streng en face, Arme
entsprechend dem alten Orantentypus seitlich erho-
ben) auf dem Regenbogen, der jedoch als solcher
nicht mehr verstanden ist (plastisch aufgesetzt,
Ornament vertieft, schwarzbraun auf weißem Grund).
Seine Füße (Zehen gleich lang) ruhen auf der
braunen Erdkugel. Vor ihm befindet sich das warm
gelbbraune Kreuz. Er trägt ein blaßbläulich-grünes

Untergewand mit weiten Ärmeln, das die rechte
Brust mit dem Wundmal der Lanze offen läßt. In
den unteren Partien ist es doppelt, der obere,
kürzere Teil ist mit einer breiten, weißen, plastisch
aufgesetzten Randborte verziert; das sehr einfache
Ornament ist in diese eingeritzt, die vertieften Stellen
mit schwärzlichem Blaugrün gefüllt. Am Handende
der Ärmel ist die rötliche Innenseite des Unter-
gewandes sichtbar. Dort, wo dieses stärker abge-
rieben ist (Ärmel und Knie der rechten Seite), tritt
unter dem grünen ein gelber Ton zutage. Über
dieses Untergewand ist ein heller, bräunlichroter
Mantel nach dem Prinzip der Toga geworfen. An
Hals und Brust ist er stellenweise umgelegt und
zeigt seine hellbräunliche, fast weiße Innenseite.
Das Inkarnat an Händen und Brust ist warm hell-
braun mit unverriebenen, nur wenig dunkleren, sehr
primitiv aufgesetzten Schattenstreifen. (Im Original
dem Gesamtton vollständig subordiniert; auf der
Photographie heben sie sich viel zu stark und hart
ab.) Der Hintergrund ist azurblau, stellenweise stark
abgerieben, die Mandorla weiß.

Rechts und links von der Mandorla, oben in
den Zwickeln, schwebt jederseits ein Engel mit ge-
falteten Händen heran. Von dem rechts sind Ge-
sicht, Arme und Unterkörper, von dem links nur die
Ellenbogenpartie des Armes sichtbar. Das Gewand
ist blaß grünlichbraun, Falten und Kontur sind mit
dünnen, aber kräftigen und energischen, schwärzlich
blaugrünen Strichen aufgesetzt; der Unterkörper des
Engels rechts ist in einen gelbbraunen Mantel ge-
hüllt. Unten nähert sich der Erdkugel kniend das
Stifterpaar. Links befindet sich die Frau, von der
nur der Kopf zu sehen ist, über den sie den braun-
violetten Mantel gezogen hat; die Gestalt rechts
ist mit Ausnahme des blaß gelblichroten Mantels,
der ziemlich stark abgerieben ist, recht gut er-
halten. Namentlich der Ärmel des reichgefalteten
Untergewandes, das in Farbe und Behandlung dem

Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k. k. Zentralkonmiission 1912. Beiblatt

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