MADONNA MIT DEM KINDE.
MARMORRELIEF DES ROSSELLINO.
Von
Dr. Albert Hg.
)as herrliche Marmorrelief, welches die Tafel VIII darstellt, misst 66*5 Ctm. Höhe,
149 Ctm. Breite. Einzelne Partien an den Säumen des Obergewandes zeigen zerstörte
f ursprüngliche Vergoldungen, während an den Aermeln, Nimben und anderen Stellen
»eine spätere, ziemlich brutale Vergoldung wahrzunehmen ist. Das einfache, in der
i florentinischen Kunst des Quattrocento häufig behandelte Thema, das Spiel des Christus-
'kindleins mit einem Vogel, das stille, innige und gedankenvolle Zusehen der Mutter,
Jdie anbetende Huldigung reizender Engelknäbchen athmet den Geist der Idylle im
gewohnten Kleide des religiösen Sujets. Auf den hohen Adel der Madonnagestalt, auf die entzückende
Lieblichkeit des Kindes braucht der Beschauer ebensowenig als auf die meisterhafte Behandlung der Körper-
formen und der Draperie besonders aufmerksam gemacht zu werden.
Dieses Meisterwerk, dem sich wenige in den Museen diesseits der Alpen an die Seite stellen können,
gegenwärtig in den Sammlungen der II. Gruppe aufgenommen, befand sich bis vor Kurzem im k. k. Schlosse
Ambras in Tirol. Seine Geschichte ist leider in tiefes Dunkel gehüllt und die Frage, wann es in den
gegenwärtigen Besitz gekommen, nicht bestimmt zu beantworten. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts
beiläufig befand es sich nicht in der eigentlichen Kunstkammer. Sein Aufbewahrungsort war damals in der
Schlosskapelle, erst in neuerer Zeit wurde es in ein Zimmer des ersten Stockwerkes übertragen.
Bis zur Aufstellung des Reliefs in den Räumen des unteren Belvederes im Sommer 1880 umschloss
dasselbe ein prachtvoller reichgeschnitzter Rahmen, der für das Kunstwerk verfertigt, jetzt gleichwohl einem
einfachen Ebenholzrahmen weichen musste, da seine reichvergoldeten Schnörkel sowie sein Stilcharakter
überhaupt zu diesem keuschen Gebilde einer strengeren Kunstepoche nicht harmonisch wirkten. Seine
Bestellung zu dem, mehrere Jahrhunderte älteren Sculpturwerke beweist indessen, dass man sich auch in
einer sehr verschieden gearteten Kunstzeit des hohen Werthes der Sculptur noch wohlbewusst war; ja, dieser
Rahmen gibt wenigstens einen schwachen Fingerzeig auf die Geschichte des Marmorreliefs.
Der ornamentale Charakter des Schnitzwerkes, dessen Construction infolge eines besonderen Aus-
schnittes im Fleische des Rahmens, behufs Aufnahme der stark vorspringenden unteren Parthien, deutlich
beweist, dass er eben nur für dieses Relief entstanden sein kann, steht am Uebergange vom Stile der
späteren Renaissance zur eigentlichen Baroke, wie derartige Bilderrahmen etwa um 1620 in Gebrauch
waren. Es ist nun sehr wahrscheinlich, dass dieser Rahmen für das Relief auch zu jener Zeit gemacht
wurde, als dasselbe in den Besitz seiner damaligen Eigner gelangte. Es könnte das unter der Regierung
des Erzherzogs Leopold V., seines Nachfolgers Ferdinand Carl oder dessen Nachfolgers Erzherzog Sigis-
mund Franz geschehen sein.
Der Umstand, dass die Ambraser Inventare bis in's 18. Jahrhundert seiner nicht gedenken, lässt mit
grosser Wahrscheinlichkeit vermuthen, dass das Werk früher in der Residenz zu Innsbruck und zwar wohl
in der dortigen Capelle aufgestellt gewesen sein dürfte, aus welcher auch von Bildern so manches später nach
Ambras kam, so manches dort sich noch befindet. Vergl. Das k. k. Schloss Ambras in Tirol von Dr. A. Hg
und W. Boeheim, Wien 1882, p. 11 3—1 r 5. Mag nun Erzherzogin Claudia von Medici es mit den Majo-
liken, Elfenbeintruhen (letztere noch mittelalterlichen Ursprunges), den Bergkrystallgefässen und sonstigen
MARMORRELIEF DES ROSSELLINO.
Von
Dr. Albert Hg.
)as herrliche Marmorrelief, welches die Tafel VIII darstellt, misst 66*5 Ctm. Höhe,
149 Ctm. Breite. Einzelne Partien an den Säumen des Obergewandes zeigen zerstörte
f ursprüngliche Vergoldungen, während an den Aermeln, Nimben und anderen Stellen
»eine spätere, ziemlich brutale Vergoldung wahrzunehmen ist. Das einfache, in der
i florentinischen Kunst des Quattrocento häufig behandelte Thema, das Spiel des Christus-
'kindleins mit einem Vogel, das stille, innige und gedankenvolle Zusehen der Mutter,
Jdie anbetende Huldigung reizender Engelknäbchen athmet den Geist der Idylle im
gewohnten Kleide des religiösen Sujets. Auf den hohen Adel der Madonnagestalt, auf die entzückende
Lieblichkeit des Kindes braucht der Beschauer ebensowenig als auf die meisterhafte Behandlung der Körper-
formen und der Draperie besonders aufmerksam gemacht zu werden.
Dieses Meisterwerk, dem sich wenige in den Museen diesseits der Alpen an die Seite stellen können,
gegenwärtig in den Sammlungen der II. Gruppe aufgenommen, befand sich bis vor Kurzem im k. k. Schlosse
Ambras in Tirol. Seine Geschichte ist leider in tiefes Dunkel gehüllt und die Frage, wann es in den
gegenwärtigen Besitz gekommen, nicht bestimmt zu beantworten. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts
beiläufig befand es sich nicht in der eigentlichen Kunstkammer. Sein Aufbewahrungsort war damals in der
Schlosskapelle, erst in neuerer Zeit wurde es in ein Zimmer des ersten Stockwerkes übertragen.
Bis zur Aufstellung des Reliefs in den Räumen des unteren Belvederes im Sommer 1880 umschloss
dasselbe ein prachtvoller reichgeschnitzter Rahmen, der für das Kunstwerk verfertigt, jetzt gleichwohl einem
einfachen Ebenholzrahmen weichen musste, da seine reichvergoldeten Schnörkel sowie sein Stilcharakter
überhaupt zu diesem keuschen Gebilde einer strengeren Kunstepoche nicht harmonisch wirkten. Seine
Bestellung zu dem, mehrere Jahrhunderte älteren Sculpturwerke beweist indessen, dass man sich auch in
einer sehr verschieden gearteten Kunstzeit des hohen Werthes der Sculptur noch wohlbewusst war; ja, dieser
Rahmen gibt wenigstens einen schwachen Fingerzeig auf die Geschichte des Marmorreliefs.
Der ornamentale Charakter des Schnitzwerkes, dessen Construction infolge eines besonderen Aus-
schnittes im Fleische des Rahmens, behufs Aufnahme der stark vorspringenden unteren Parthien, deutlich
beweist, dass er eben nur für dieses Relief entstanden sein kann, steht am Uebergange vom Stile der
späteren Renaissance zur eigentlichen Baroke, wie derartige Bilderrahmen etwa um 1620 in Gebrauch
waren. Es ist nun sehr wahrscheinlich, dass dieser Rahmen für das Relief auch zu jener Zeit gemacht
wurde, als dasselbe in den Besitz seiner damaligen Eigner gelangte. Es könnte das unter der Regierung
des Erzherzogs Leopold V., seines Nachfolgers Ferdinand Carl oder dessen Nachfolgers Erzherzog Sigis-
mund Franz geschehen sein.
Der Umstand, dass die Ambraser Inventare bis in's 18. Jahrhundert seiner nicht gedenken, lässt mit
grosser Wahrscheinlichkeit vermuthen, dass das Werk früher in der Residenz zu Innsbruck und zwar wohl
in der dortigen Capelle aufgestellt gewesen sein dürfte, aus welcher auch von Bildern so manches später nach
Ambras kam, so manches dort sich noch befindet. Vergl. Das k. k. Schloss Ambras in Tirol von Dr. A. Hg
und W. Boeheim, Wien 1882, p. 11 3—1 r 5. Mag nun Erzherzogin Claudia von Medici es mit den Majo-
liken, Elfenbeintruhen (letztere noch mittelalterlichen Ursprunges), den Bergkrystallgefässen und sonstigen