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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 2.1884

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I. Theil: Abhandlungen
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Sacken, Eduard von: Zur Gemmenkunde
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https://doi.org/10.11588/diglit.5610#0028
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22

Eduard Freiherr von Sacken.

dies noch anschaulicher durch den überreichen Schmuck zum Ausdruck gebracht. Im Läppchen des
feinen Ohres hängt ein grosses traubenförmiges Gehänge, den Hals schmückt ein doppeltes Collier, eine
Perlenschnur, darunter eine Reihe von Schmuckstücken, bestehend aus Perlen mit eicheiförmigen Anhäng-
seln, deren fünf sichtbar sind. Geradezu überladen erscheint die Ausschmückung des attischen Helmes.
Dieser, offenbar aus Metall getrieben gedacht, deckt das Oberhaupt bis auf die Mitte der Stirne, rückwärts
hat er einen ziemlich tief herabreichenden Nackenschirm, ober dem Ohre ist er rechtwinkelig ausgeschnitten.
Er besitzt drei Cristen. Die grössere mittlere, oben etwas beschädigt, wird von einer liegenden Sphinx,
deren Kopf archaische Reminiscenzen zeigt, getragen, der Rossbusch wallt bis auf den Rücken herab, die
sichtbare rechte seitliche, kleinere Crista ruht auf einem springenden Pegasus, der sie mit dem Kopfe und
der Flügelspitze stützt; sein Kopf ist eigentümlich stylisirt, auffallend kurz und ramsnasig, so dass er
fast etwas Adlerartiges erhält und einem Pferdekopf wenig ähnlich sieht. Auf der an einer Charniere
emporgeschlagenen Backenklappe sieht man in Relief einen aufwärts springenden Greif. Aus dem Stirn-
stulpe treten Flügelpferde mit halben Leibern plastisch vor, die, aneinandergereiht, die Stirne wie ein Kranz
umgeben; es sind deren fünf sichtbar, von abnehmender Grösse gegen rückwärts, alle springend, beim
vollrunden Kopfe waren sonach deren neun. Der Hinterkopf ist mit einem Rankenornamente in flachem
Relief geschmückt, der Nackenschirm geschuppt und mit einer starken profilirten Randeinfassung versehen.

Brust und Rücken deckt die schuppige, schlangenbesäumte Aegis, deren Lappen in der Mitte schmal
werden, so dass sie auf der Brust einen ziemlich tiefen, spitzen Ausschnitt bilden, hier vom Gorgoneion als
Agraffe zusammengehalten, das ganz en face zu sehen ist und durch die Breite des Gesichtes, den düsteren
Ausdruck und die kurzen, wulstigen Scheitel an den älteren Medusentypus erinnert, aber ohne das Fratzen-
hafte desselben, in bedeutend gemilderter Form. Hinter der linken Schulter wird durch einen schwachen,
schrägen, aus begreiflichen Gründen nicht ganz bis an das Kinn geführten Strich die Lanze angedeutet; er
setzt sich hinter dem Helmbusch bis zum Rande fort. Der so an die Schulter gelehnte Speer, sowie die auf-
geschlagenen Ohrenklappen bezeichnen die Göttin ebenfalls als pacifera.

Hinter dem ^rossen herabwallenden Cristabusche ist im Felde mit ausserordentlich feinen, einen
halben Millimeter grossen Buchstaben von oben nach abwärts retrograd der Künstlername eingeschnitten:
ACriACTOY; die mit sicherer Hand geführten Buchstaben haben Punkte an den Enden.

Das Materiale des in nicht hohem Relief geschnittenen Intaglio ist undurchsichtiger rother Jaspis, die
Höhe des ovalen Steines beträgt 3 Ctm., die Breite 2-45 Ctm. Die Ausführung ist in allen Theilen höchst
sorgfältig, die Polirung glänzend, nur Helmbüsche und Namen sind weniger glänzend, aber doch polirt.

Die Geschichte des Steines lässt sich ziemlich weit zurückverfolgen. Im Jahre 1669 befand er sich in
der Sammlung der Signori Rondanini zu Rom, aus welcher ihn Canin i1 im angeführten Jahre zum ersten
Male publicirte. 1724 befand er sich bereits im Besitze des Cardinais Pietro Ottoboni, welchen Stosch2 aus-
drücklich als Eigenthümer bezeichnet. Gronovius3 bringt zwar noch acht Jahre später eine Abbildung,
welche ihn bei Rondanini befindlich angibt, doch scheint es, dass er eine ältere Kupferplatte benützte.
Zwischen 1724 und 1760 kam die Gemme, wie zu vermuthen steht, durch den Grossherzog von Toscana,
nachmaligen Kaiser Franz I., in die kaiserliche Sammlung in Wien, denn Win ckelmann sagt in seiner im
letztgenannten Jahre erschienenen Beschreibung der Stosch'schen Sammlung,* in welcher er eine Paste von
unserem Steine publicirt, dass sich das Original derselben früher im Cabinet des Cardinais Ottoboni
befunden habe, gegenwärtig aber in dem des Kaisers zu Wien sei, welche Angabe er einige Jahre später
in seiner Geschichte der Kunst wiederholt, indem er des Steines als «im kaiserlichen Museo» befindlich
erwähnt.5 Gleichwohl führt ihn Lippert in dem 1767 erschienenen Texte zu seiner Daktyliothek, S. 5 a,
nr. 119, als dem Cardinal Ottoboni gehörig an.

1 Iconographia, pl. XCIII.

2 Gemm. ant. coel. Tab. XIII, p. 17.

3 Thesaur. antiquit. graec. II, tab. 85.

4 Descr. des pierres gravees du feu Bar. de Stosch. Florence 1760.

5 Wien 1776, I, 553. Kühler, Gesammelte Schriften III, S. ig3, sagt, der Cardinal Ottoboni habe den Intaglio der
kaiserl. Sammlung geschenkt, ohne Angabe der Quelle, aus der er diese Nachricht schöpfte.
 
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