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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 3.1885

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Chmelarz, Eduard: Franz Schestag: 26. Juni 1884
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https://doi.org/10.11588/diglit.5882#0214
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FRANZ SCHESTAG

f 26. Juni 1884.

z

u Mährisch-Schönberg geboren, widmete sich Schestag nach Absolvirung des Olmützer Gym-
nasiums an der Wiener Universität den historischen Studien, besonders jenem der historischen
Hilfswissenschaften. In Folge seiner Verwendung auf diesem Gebiete wurde er im Jahre 1861
Mitglied des Institutes für österreichische Geschichtsforschung. Nicht zu den durch ihre Publi-

cationen nach aussen glänzendsten, aber zu den gediegensten Vertretern der am Institute unter Sickels
Leitung eingeschlagenen Schulrichtung hat Schestag gehört, und in einem Ehrenbuche der Anstalt müsste
sein Name in der ersten Reihe stehen. Gleichzeitig trat er jedoch mit jenem Manne in Verbindung, welcher
nicht nur die Behandlung der Kunstgeschichte an der ersten Universität des Reiches inaugurirte, sondern
überhaupt bei Eröffnung der neuen Aera für Kunst und Industrie in Oesterreich die Führerrolle inne
hatte. Es ist der Director des k. k. Oesterreichischen Museums für Kunst und Industrie, Hofrath Professor
R. von Eitelberger, der sich aus seinen Schülern mit richtigem Blicke Schestag erkor, als es sich
bei Errichtung des Museums im Jahre 1863 um die Wahl eines Hilfsbeamten handelte; und er hat wahr-
lich keinen Fehlgriff gethan. Zunächst für alle Zweige der Museumsthätigkeit in Verwendung genommen,
hatte Schestag thätigen Antheil an der Abfassung des ersten Inventars und des ersten gedruckten Museums-
kataloges, besonders unter Leitung des ersten Custos, des jetzigen Vicedirectors, Regierungsrath Ritter
von Falke. Diesen beiden Männern und seinem ruhig beobachtenden Blicke beim Studium der Kunst-
werke hatte Schestag die Grundlage eines ungewöhnlich umfassenden kunsthistorischen Wissens zu danken,
welches bei der heutigen Specialisirung unter den Kunstgelehrten immer seltener wird. Gerade diese All-
seitigkeit des Wissens machte ihn neben der Ruhe seines Wesens, seinem ordnenden Sinne und ausge-
zeichneten Gedächtnisse vor Allen zum Bibliothekar befähigt, und er verwaltete diesen Posten nach seiner
definitiven Anstellung bis zu seinem Scheiden von der Anstalt in vorzüglicher Weise. Die Organisirung
der Museumsbibliothek, welche nach Reichhaltigkeit und Frequenz wohl zu den bedeutendsten kunst-
gewerblichen Bibliotheken zählt, sie ist Schestags Werk, wahrhaft mustergiltig oder wenigstens keiner
solchen Verbesserungen bedürftig, welche das ursprüngliche System wesentlich alteriren würden.

Die Schaffung dieses Systems war in der That keine geringe Aufgabe, weil ohne jegliches Vorbild
dieser Art; nur die Anordnung der Museumssammlungen selbst konnte den Eintheilungsgrund für das
Bibliothekssystem abgeben. Es galt die kunstgcschichtliche Entwicklung, die Theorie und Praxis aller
kunstgewerblichen Zweige in Büchern und Vorlegeblättern zur Anschauung zu bringen, dem Studium
und bequemer Benützung zugänglich zu machen. Wie Schestag dieser Aufgabe gewachsen war, ist aus
den beiden Katalogen zu entnehmen, welche als seine literarische Hauptleistung anzusehen sind.

Zunächst veröffentlichte er im Jahre 1869 den ersten Bibliothekskatalog; viel wichtiger erscheint
jedoch der 1871 ausgegebene Katalog der Ornamentstichsammlung des Museums, welcher in seiner Aus-
stattung mit zahlreichen Holzschnitten nach Mustern der verschiedenen Stylarten des Ornamentes zu-
gleich einen Beweis von dem bibliophilen Geschmacke Schestags liefern kann. Denn ein Bibliophile der
seltensten Art war er im Laufe der Jahre geworden. Die stummen und doch so beredten, inhaltreichen
Bücher waren des bescheidenen, gesellschaftsscheuen Mannes liebster Umgang, sie schätzte er am höchsten,
so dass die Liebe zu ihnen manchmal mit den durchaus praktischen Bedürfnissen seiner kunstgewerblichen
 
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