Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Maximilian <Römisch-Deutsches Reich, Kaiser, I.>; Schultz, Alwin [Hrsg.]; Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]; Treitzsaurwein, Marx [Bearb.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien): Der Weisskunig — Wien, 6.1888

DOI Heft:
Der Weißkunig
DOI Artikel:
Zweiter Theil
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5732#0086
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
56

Ursachen, darynnen ain yedes cristen mensch erzogen solle werden: die erst, das er erkennet die gesatz
gotes und got lieb het vor allen dingen, dann welcher mensch nit in im hat die forcht gottes, der wird nit
ewiglich leben; die ander, das er vater und mueter und allen denen, die ime guets thäten, dankper were und
sy eret, wann die undankperkait ist ain laster, darunder alle laster verporgen werden; die drit ursach, das
5 er seinem nächsten menschen das that, das er begert, dann welher in seiner regirung unrechtlich streit und
ungleich gericht fueret, das ist ain verlierung der zeitlichn und ewigen eer. Und nach sölicher gotsforchtign
betrachtung, die der alt weiß kunig thet als ain getreuer vater, da erwelet derselb ku (fol. 105 a) nig etlich
hochgelert maister, die ains frumen geistlichn lebens waren, und verordnet die zu seinem sun, ine die latein
und darynnen am allerersten die zucht und forcht gotes und darnach die heilig geschrift mit emsigem vleiss

10 zu lernen und underweisen. Also heten dieselben maister mit ime grossen vleiss. Es wurden ime auch vil
mechtiger herrn und edlleut kinder zugeordent, mit sampt ime zu lernen und auf ine zu warten, und gaben
ime am ersten für die kintlich zucht, darnach die kuniglichen tugent, darnach die götlich forcht, darnach
die heilig geschrift, darynnen er gar vleyssiglichen lernet und studiret, und het an ime das erlich gemuet, das
er mit seiner lerung und mit seinem vleyss nichts versäumet, dardurch er von den maistern gestraft mocht

15 sein worden, als sich dann oft ander jung leut durch im unfleiss (fol. 105b) und aus pösem muetwillen
umb die lerung strafen und schlagen lassen, und was ime seine maister furgaben, das lernet er furderlichen
und het daryn kain rue. Und lernet in der heiligen schrift dermassen sovil, das er vilmalen seinen maistern
frag furleget, die sy ime nit verantwurten kunten; wiewol er in dem rechten grund der heiligen geschrift
genugsamlichen gelert was, so ubertraf dannoch sein verstand, den ime got geben het, die lerung; das

20 mag aus dem genommen werden, das er seinen maistern dermassn frag furleget, die sy ime nit künden ver-
antwurten. Da sölichs sein vater der alt weiß kunig merket, nam er ine von derselben lernung, aus ursach
das er in der heiligen geschrift genugsamlich gelert was und andere Sachen für sich name, damit er in ainem
uberfluß der lerung die zeit nit versawmet, und als (fol. 106 a) die maister dem alten weißen kunig seinen
sun uberantwurten, da thet der sun zu dem vater in gegenwurtigkait der maister aus aigner bewegnus dise

25 red: »wie der stam des pawms in seiner jugent gepflanzt und gepogen wird, also beleibt er in dem alter;
je edler ain frucht ist, je ainen edlern gesmach und tugend hat sy; je schöner und klarer ain stain scheint,
je edler und kostlicher ist derselb edl stain.« Der alt weiß kunig sprach zum sun: »leg mir dise deine red aus,
in was maynung du das geredt hast.« Der sun gab antwurt: »wie ain gartner in ainen stam ein zwey von ainer
frucht pflanzt und dasselb zwey in den stam verwaxt, derselb stam der pringt darnach die frucht desselben

30 zwey, also ist in mich gepflanzt das zwey der heiligen geschrift und der cristenlich gelauben, und das zwey
ist gewaxen (fol. 1061>) in den stam und wird bringen künftige frucht.« Auf das ander saget der sun also:
»je edler ain frucht ist, je ainen edlern gesmach gibt dieselb frucht, also vast ist mir die nutzperkait, die
aus der dankpar und diemuetigkait neust, geoffenbart und in mein herz gepildt, das sich gegn meiner dank-
per und diemuetigkait die grosst hoffart erkennen wird.« Auf das drit thet der sun dise red: »je schöner und

35 klarer ain edler stain scheint, je edler und kostlicher ist derselb stain, also ist in mich gewurzlt die lauter-
kait der unvermailigten eer und die kuniglichn tugent und die gerechtigkait der gesetz gotes, und in mir
wird scheinen werden in diser weit die schönst eer und regirung.« Als er dise auslegung gethan het, emphieng
der alt weiß kunig grosse frewd darab, und der kunig desgleichen die maister gaben ime disen namen, das
er (fol. 107 a) hinfuro gehaissen solle werden der jung weiß kunig. Ain yeder gelerter und verstendiger

40 mensch mag merkn, das seine obgemelte wort bedeut haben künftig werk, nemlichen in der regirung
seines alters hat er erlangt die höchst kuniglich krön und ist ain liebhaber der cristenlichen kirchen, ain
hanthaber der gerechtigkait, der streitparist und sighaftigist in allen streiten und der diemuetigist gegen
allen menschen gewest.
 
Annotationen