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Maximilian <Römisch-Deutsches Reich, Kaiser, I.>; Schultz, Alwin [Hrsg.]; Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]; Treitzsaurwein, Marx [Bearb.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien): Der Weisskunig — Wien, 6.1888

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Der Weißkunig
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Zweiter Theil
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https://doi.org/10.11588/diglit.5732#0096
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(foi. 123a) Wie der jung weiß kunig die alten gedachtnus insonders lieb het.

er jung weiß kunig fraget in seiner jugent gar oft von den kuniglichn geschlechten,
dann er het gern gewist, wie ain jedes kuniglich und fürstlich geschlecht von anfang
herkumen were, darinnen er in seiner jugent kain erkundigung erfragen möcht. Darab
er dann oft ainen verdrieß trueg, das die menschen der gedächtnuss so wenig acht
nämen, und als er zu seinen jarn kam, sparet er kainen kosten, sonder er schicket aus
gelert leut, die nichts anders teten, dann das sy sich in allen stiften, klostern, puechern
und bey gelerten leutn erkundigeten alle geschlecht der kunig und fursten, und ließ solichs alles in schrift
bringen, zu er und lob denen (fol. 123b) kuniglichn und furstlichn geschlechten. In sölicher erkundigung hat
10 er erfundn sein mandlich geschlecht von ainem vater auf den andern biß auf den Noe, das sonst ganz
undertruckt und die alten Schriften, darauf nichts mer geacht worden ist, verloren weren wordn. Und
wo ain kunig oder fürst etwo ain Stift gethan hat, des vergessen worden ist, so hat er denselben Stifter
widerumb mit seiner gedachtnus erhebt, das sonst nit beschehen were. Verrer nachdem vor langen zeiten
die ungelaubign und nemlichn die grossn herrn inen nach irer gewonhait in manigerlay weiß gedachtnus
15 machn haben lassen, die dann je zu Zeiten durch heerzug oder durch ander sachn zerprochn worden
sein, und wo dem jungen weisen kunig also söliche gedachtnus anzaigt worden sein, hat er bevolen,
dieselben gedächtnusn wider (fol. i24a)umb zu vernewen; er hat alle münz, so die kayser, kunig und ander
mechtig herrn vor zeiten geschlagen haben und die funden und ime zuegepracht worden sein, behalten
und in ain puech malen lassen, dardurch oft ain kayser, kunig und herr mit seinem namen widerumb
20 geoffenbart, des sonst ganz vergessen worden were. Desgleichn hat er auch ainem jeden kayser, kunig
und fursten, die von anfang bisher regiert haben, ire guete täten inen zu ainer gedachtnus von newem
widerumb beschreiben lassen. Wie ain sonder kuniglich eerlich gemuet hat dieser jung weiß kunig gehabt!
er hat alle kunig ubertroffen; dann wo findt man von andern kunigen geschriben, die also die kunig-
lichen und fürstlichen geschlecht mit irer gepurt und gueten taten mit schriftlicher gedachtnus erhebt, als
25 diser jung weiß kunig gethan hat? Er ist ain (fol. 124b) anweiser aller künftigen kunigen und fursten, das
sy die kuniglich und fürstlich gedachtnus underhaltn und meren, und disen weisen kunig in sonderhait in
künftiger gedächtnus eren sullen. Auf ain zeit was ain mechtiger herr bey dem jungen weisen kunig, der
sprach zu ime, das gelt, das er auf die Sachen der gedächtnuss leget, were verloren. Darauf gab ime der
kunig die antwurt: »wayst du nit, das got und der prophet Davit in dem psalter sagen von der gedächtnuss
30 und nit von dem gelt, dann wo ainer seinen schätz hat, da ist sein herz.« Weiter sprach der kunig zu
demselben herrn: »sag mir ains: was beleibt dem menschen lenger, das guet oder die gedächtnus? « Darauf
gab der herr die antwurt: »wann ain mensch stirbt, so volgen ime nichts nach dann seine werk.« Auf
sölichs redet der kunig: »du redest recht; wer ime in seinem leben (fol. 126a) kain gedachtnus macht, der
hat nach seinem tod kain gedächtnus und desselben menschen wird mit dem glockendon vergessen, und
35 darumb so wird das gelt, so ich auf die gedechtnus ausgib, nit verloren, aber das gelt, das erspart wird in
meiner gedachtnus, das ist ain undertruckung meiner künftigen gedächtnus, und was ich in meinem leben
in meiner gedächtnus nit volbring, das wird nach meinem tod weder durch dich oder ander nit erstat.«
Darauf swig derselb herr stil und bekennet sich, das er gröslichn unrecht het geredt.
 
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