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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 9.1889

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Madrazo, Pedro de; Beer, Rudolf: Über Krönungsinsignien und Staatsgewänder Maximilian I. und Karl V. und ihr Schicksal in Spanien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5731#0484
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ÜBER KRÖNUNGSINSIGNIEN UND STAATS GEWÄNDER
MAXIMILIAN I. UND KARL V. UND IHR SCHICKSAL IN SPANIEN.

Von

Pedro de Madrazo,

königl. spanischen Staatsrath.
Deutsch von
Rudolf Beer,

Hilfsarbeiter an der k. k. Hofbibliothek.

I. Finanzielle Bedrängniss Philipp II.

m Hintergrunde aller grossen geschichtlichen Epochen erscheint gleich einem stigma-
tisirenden Merkmal das, was wir als Vandalismus zu bezeichnen pflegen. Nur dann
schreitet die Menschheit fort, wenn sie sich an Althergebrachtem und Ueberkommenem
versündigt, und sie gleicht einem unzufriedenen Autor, der in seinem Manuscripte
fortwährend streicht und tilgt. Bei allen mächtigen und blühenden Völkern haben
wir bedauerliche Acte der Zerstörung zu verzeichnen, der Vernichtung sacraler oder
profaner Objecte, welche die Ehrfurcht der Menschen verdienten.
Gleichwol darf unser Unheil über solch' verheerende Thätigkeit in wirklichen Culturepochen nicht
ohne Vorsicht abgegeben werden. Man fasse den betreffenden Zeitabschnitt genau ins Auge, man trage den
socialen Zuständen Rechnung, in denen sich das damalige Leben bewegte, und den gebieterischen Forde-
rungen, welche sie auferlegten. Selbst angesichts jener Fälle von Vandalismus, die der blossen Laune oder
dem gerade herrschenden Geschmacke ihren alleinigen Ursprung danken, darf die Kritik von heute durch
nichts Anderes beeinflusst werden, als durch billige Erwägung und Duldsamkeit. Die vergangenen Epochen
huldigten nicht in gleicher Weise dem Eklekticismus, wie die unsrige: das Jahrhundert der Renaissance
blickte auf Alles, was die gothische Periode hervorgebracht, wie auf barbarische Missgeburten herab, und die
Italianissimi des sechzehnten Jahrhunderts wieder waren überzeugt von der Absurdität des plateresken Stiles.

Die heute wahrnehmbare Mischung von Stilgattungen in den uns umgebenden Kunstgegenständen,
welche unseren prunkvollen Wohnungen den unharmonischen Anblick von Repositorien, von Möbel-
niederlagen oder zusammengewürfeltem Stückwerk aus verschiedenen Zeiten und Zonen verleiht, war in
typischen Epochen rein ausgeprägter Kunstform unbekannt. In jenen Perioden stand die Kunst im Dienste
der Kirche oder entsprach den Anforderungen des öffentlichen und privaten Lebens in den verschiedenen
gesellschaftlichen Classen; in unseren Tagen aber hat sie auf jede höhere Mission verzichtet, sie lebt für sich
und dient ausschliesslich dem mehr oder minder geläuterten Geschmacke der Mäcene. Dieser Umstand ist
es, der uns mit allen Stilen und Formen pactiren lässt, während vor Alters einzig und allein dasjenige be-
rechtigt erschien, was wirklichen Bedürfnissen, sei's nun in sittlicher oder religiöser, physischer oder intel-
lectueller Beziehung entgegenzukommen berufen war.
 
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