Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 9.1889

DOI Artikel:
Madrazo, Pedro de; Beer, Rudolf: Über Krönungsinsignien und Staatsgewänder Maximilian I. und Karl V. und ihr Schicksal in Spanien
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5731#0485
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Pedro de Madrazo. Ueber Krönungsinsignien und Staatsgewändcr Maximilian L und Karl V. und ihr Schicksal in Spanien.

Trotz alles Enthusiasmus für die Baukunst des Mittelalters kann man es also dem »reichen Manne«
aus dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts nicht verargen, dass er nach Eintritt friedlicher Zeiten für die
spanische Erde, wir meinen nach der Wiedergewinnung Granadas, sich innerhalb der düstern Mauern
seines Castells unbehaglich fühlte, darf man nicht wagen, es zu verurtheilen, dass er seinen trübseligen
Wohnsitz in einen freundlichen Palast umwandelte, die befestigten Zinnen in ein geräumiges Dach, den
altersgrauen Thurm in eine lichte, elegante Loggia, das enge Bogenfenster in einen keck vorspringenden
Erker, den tiefen Graben in einen blühenden Garten umgestaltend. Ja selbst dann, wenn bei solch' radi-
caler Umwandlung ein Prunksaal mit Fresken des Florentiners Dello, ein Prachtzimmer mit erlesener
maurischer Stuckarbeit, eine gothische Capelle, vielleicht die Stätte der Andacht des Königs San Fernando,
in Schutt und Trümmer zerfallen musste, könnten wir uns nicht zum Richter über derlei Thun aufwerfen.
Und aus demselben Grunde lässt sich behaupten: Selbst wenn es unwiderleglich feststünde, dass ein so
hochsinniger Fürst wie Philipp II. ohne zwingende Notwendigkeit eingewilligt hätte, dass nach dem Tode
seines ruhmbedeckten Vaters die Testamentsvollstrecker den Krönungsornat Karls und Maximilians, des
letzten Ritters, zu Lappen, Fetzen und Trümmern verunstaltet, in öffentlicher Versteigerung feilbieten
durften, — Insignien von ausgesuchtem künstlerischen Werthe, welche den ganzen Zauber der roman-
tischen Schaufeste des heiligen römischen Reiches in grossartiger Weise vor Augen führten, — selbst dann
dürfen wir diesen Act nicht verurtheilen oder vor dem Forum der Geschichte und aller aufrichtigen Ver-
ehrer kunsthistorischer Grösse dasjenige brandmarken, was allerdings seit jeher als ein Flecken in der
Regierung eines so glorreichen Monarchen bezeichnet wurde. Noch weit leichter wird aber diese Recht-
fertigung und Vertheidigung, wenn man daran geht, einen Umstand nachzuweisen, der auch thatsächlich
unanfechtbar feststeht: die ständig bedrängte finanzielle Lage Philipp II., des grössten und des ärmsten
Herrn der Erde.

Die Kriege, welche Philipp gegen die Feinde des Hauses Oesterreich und des Christenthums zu
unterhalten hatte, mussten allein schon seine Mittel erschöpfen. Man vergegenwärtige sich die wirthschaft-
liche Lage Spaniens in einer Zeit, da seine Heere in Neapel und in der Lombardei kämpften, sich in
St. Quentin und Gravelingen mit Ruhm bedeckten, zur Unterdrückung des Aufstandes in den Nieder-
landen berufen wurden und die berberischen Corsaren zu züchtigen hatten, während sie sich vorbereiten
mussten, gegen die türkischen Geschwader, die damaligen Beherrscher der Meere, einen Vernichtungs-
kampf zu führen. In jener Epoche reichten nicht einmal die so überaus ertragreichen Minen Amerikas
hin. um die enormen Erfordernisse des Staatsbudgets, das Geld für die vielen Kriege und nicht zum wenig-
sten für die kostspieligen Rücksichten und Aufmerksamkeiten zu beschaffen, welche man in jener Zeit als
unvermeidliche Repräsentationserfordernisse betrachtete.

Es ergab sich die Notwendigkeit, fast beständig ausserordentliche, für das Land verderbliche und auch
vom Standpunkt der Moral keineswegs zu billigende Hilfsquellen zu eröffnen.

Nach den Ausweisen des obersten Rechnungspräsidenten des Consejo de las Indias erhielt Philipp II.
aus den amerikanischen Colonien jährlich vierhundertfünfzig Millionen Maravedis oder vierzehn Millionen
Realen, eine für die damaligen Geldverhältnisse ausserordentlich beträchtliche Summe.1 Die westindischen
Provinzen, in denen der König »sein Geld hatte«, wie es damals hiess, waren Neuspanien, Neugalicien,
Yucatan und Cozumel, Guatemala, Honduras, Nicaragua, Tierrafirma, genannt Goldcastilien, Cartagena,
Santa Marta und das neue Reich von Granada, Popaian, Rio de la Plata, San Francisco, Sancti Spiritus
del Brasil, Venezuela, Pesqueria de las Perlas (Perlenfischstätte), von der Provinz Peru die an Neucastilien
angrenzenden Landstriche, das neue Reich Toledo in Peru, Chile, Isla Espanola, Isla de Cuba, endlich
die Inseln San Juan de Puerto Rico und Margarita.

Auf Grund von trügerischen Hoffnungen jedoch, denen man sich bezüglich einer noch weit aus-
gedehnteren Erweiterung dieser Gebiete hingab, steigerten sich, da man an einen Ausgleich im Soll und
Haben des Staates nicht dachte, auch die Ausgaben des königlichen Hauses von Jahr zu Jahr und erreichten
im Jahre i562 die Summe von viermalhundertfünfzehntausend Ducaten oder hundertfünfzig Millionen

i Ein Real = 25 centimos, = i/4 Peseta, beziehungsweise i/4 Franc. Vergl. weiter unten.
IX.

57
 
Annotationen