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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 16.1895

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Abhandlungen
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Ilg, Albert: Das Neugebäude bei Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5778#0093
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Das Neugebäude bei Wien.

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führt zu jedem der Thürme von innen eine offene Freitreppe, und zwar nach dem mittleren Geschoss;
denn nach den alten Berichten hatte, wie wir hören werden, jeglicher drei Stockwerke. Auf dem
Stiche hat das Parterregeschoss dieser Thürme kleine, kreisrunde, das mittlere grössere Fenster; dann
verjüngte sich der Thurm in einem Absatz, war in zwei Reihen übereinander mit ebensolchen Zinnen
garnirt wie die Mauern und endete in eine polygone, etwas nach innen geschweifte Spitze, die von
einer Kugel gekrönt war. Diese einst kupfernen Dächer sind nun den heutigen, ganz primitiven aus
Ziegeln gewichen. Das dritte Stockwerk hatte keine Fenster. Gegenwärtig sind alle Fenster vermauert,
da überall Pulver und Sprenggeschosse aufbewahrt werden, die Stiegen verschwunden; der Eingang ist
nur mehr parterre. Im Innern sind die Stockwerke durchgeschlagen; ganz oben aber ist eine gewölbte
Decke eingezogen. Ob unter der Tünche Malereien schlummern, weiss Niemand zu sagen.

In der Mitte der gegen den Friedhof gerichteten Mauer, also in der auf die Donau führenden Haupt-
achse der ganzen Anlage, dem Hauptgebäude gegenüber, steht zwischen je zwei der eben beschriebenen
Thürme ein grösseres Object von hausartiger Gestalt. Es gleicht noch ganz dem Bilde bei Delsenbach,
nur dass seine drei hohen Spitzdächer mit einem formlosen Ziegeldache neuerer Anlage vertauscht
wurden. Seinen Grundriss vermag man aber auf jenem Stiche, der nur die nördliche Facade bietet,
nicht zu erkennen. Das Gebäude bildet ein Oblongum, an dessen Südseite sich eine halbkreisförmige
Ausbauchung, wie eine grosse Apsis oder Concha, anschliesst. Es steht nicht an die Umfassungsmauer
gelehnt sondern frei, so dass letztere hinter der Concha ebenfalls einen Bogen macht und nach der
Südseite an dieser Stelle ausgebaucht herumläuft. Wie bei Delsenbach hat die Nordseite des Gebäudes
heute noch Parterre und Geschoss mit drei Fensterachsen, auf der Nordseite den Eingang. Im Innern
geht jetzt der ganze Raum bis zum Dache durch, ohne Stockwerkabtheilung. Auch hier müssten die
getünchten Wände untersucht werden, ob unter denselben Fresken erhalten seien.

Der ganze ungeheure Raum zwischen den äussersten Umfassungsmauern, also das grosse Ob-
longum, welches sich südlich dem Hauptgebäude vorlegt, ist nun wüste, mit Gras bewachsen, von
einigen grossen Bäumen bestanden, von denen sich ein paar in der Achse des Hauptschlosses und des
eben geschilderten gegenübergelegenen Pavillons wie die Reste einer Allee ausnehmen. Auch Felder,
welche das Militärärar verpachtet, befinden sich in dem riesigen Gevierte, ferner ein langgestrecktes,
hässliches Pulvermagazin aus Holz. Von dem inneren Garten mit seinen vier Thürmen, welchen
Bongars schildert, ist keine Spur mehr vorhanden. Wir kommen auf ihn noch zu sprechen, wollen
jetzt aber blos des noch Vorhandenen Erwähnung thun.

Wir schreiten der Nordseite zu und gelangen aus dem Raum des ehemaligen inneren Gartens in
jenen hofartigen Vorraum von verhältnissmässig schmaler, streifenartiger Gestalt, welcher sich quer
vor die Südfront des Hauptbaues, der »maison de plaisance«, vorlegt, jenen Zwischentheil zwischen
Garten und Schloss, in dessen Westende heute die von der grossen Pressburger Landstrasse, richtiger
Reichsstrasse, abzweigende Zufahrtstrasse zum Neugebäude einmündet. Bei Delsenbach ist er durch die
Perspective von dem Hauptschloss fast gänzlich verdeckt. Man sieht nur die Hinterseite der nördlichen
Arcadenwand des inneren Gartens, durch welche man aus letzterem in diesen Querhof gelangte. Diese
Mauern bestehen auch noch, jedoch in diesem Theile blos die Wände, nicht mehr die Arcaden selbst;
wohl aber sind auf ihrer südlichen Seite gegen den Centralfriedhof hin noch eine Reihe Profilansätze
zu sehen, auf welchen die Wölbungen der Bogengänge geruht haben müssen. Dreht man sich nun
gegen das Hauptgebäude nach Norden, so bemerkt man zunächst einen breiten, ehemals mit Wasser
gefüllten Graben, der hier den Fuss des Schlosses bespült hatte, und dieses selbst, von einigen später
angeflickten Nebenbauten zu schweigen, welche erst die militärische Verwendung nothwendig gemacht
hatte. Auf dem Blatte von Delsenbach kann man die Südfront des Hauptbaues nicht sehen. Sie stellt
sich heute als eine gänzlich kahle, total vermauerte glatte Fläche ohne ein einziges Fenster dar, in
deren Mitte ein colossaler, gleichfalls vermauerter Halbkreisbogen zu bemerken ist. Das ordinäre
Dach ist ebenfalls später aufgesetzt. Von einer Gliederung des ausgedehnten Bauwerkes in ein Milieu
und langgestreckte Seitenflügel verräth sich auf der Südseite heute nichts mehr; auf der nördlichen
Seite ist gleichfalls von der Ansicht bei Delsenbach jetzt keine Spur mehr. Alle einstigen Oeffnungen

ii*
 
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