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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 16.1895

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Abhandlungen
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Schneider, Robert: Kora
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https://doi.org/10.11588/diglit.5778#0148
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KORA.

Von

Robert von Schneider.

s ist nicht leicht zu entscheiden, ob das zahlreiche Heer von Scultori und Scal-
pellini, das seit vier Jahrhunderten, und vor Jahren mehr noch als heutzutage, das
Restauriren antiker Statuen geschäftsmässig betreibt, unsere Kenntnis der griechi-
schen Plastik mehr gehemmt oder gefördert hat. Der empfindsame Kunstfreund,
der bei dem rohen Anfassen dieser Gesellen für die Unversehrtheit seiner Lieblinge
zittert, wird so wenig wie der bedächtige, von dem kecken Zugreifen dieser un-
wissenden Praktiker angewiderte Forscher sich lange besinnen, deren Treiben
sammt und sonders zu verdammen. Und in der That ist die Menge dessen nicht zu zählen, was sie im
Laufe der Zeit bleibend entstellten und unrettbar verdarben. Kaum einer hatte ein zarteres Gewissen
als Cellini, der den an Herzog Cosimo aus Palestrina gesandten Torso mit niedlichem Lockenkopfe,
Kanne, Trinkschale und Adler ergänzte, »damit man das Bild einen Ganymed nennen kann«,1 kein
einziger jedoch seine einschmeichelnde Kunst, die über die Anmuth des Werkes dessen Willkür
vergessen lässt. »II rattoppare le statue,« sagt Meister Benvenuto selbst, »e arte da certi ciabattini, i
quali la fanno assai malamente.« Aber wie schlimm es damit auch stehen mag, wir rechnen diesen
»Pfuschern« allzu oft nur das nach, was sie verfehlten, und übersehen darüber das, was sie getroffen
haben. Aus dem ungeheuren Trümmerhaufen der antiken Bildwerke klaubten sie emsig die Bruchtheile
der Figuren zusammen, und wenn sie auch zahllosen Torsen fremde Köpfe aufsetzten und, gleich dem
Bruder Lustig im Märchen, die Gliedmassen der verschiedensten Statuen kunterbunt durcheinander
mengten, so dass daraus nichts Rechtes erstehen konnte, so fanden sie doch auch nicht selten mit der
Kennermiene des heiligen Petrus, was zusammenhing und aneinander passte, und gewannen so aus
Fragmenten und Splittern glücklich das Ganze. Sie erkannten mit flinkem Auge und raschem Erfassen
hundert Dinge, deren sich so mancher junge Archäologe in seinen römischen Flitterwochen in langen
Abhandlungen gebrüstet hätte, thaten ihre Arbeit im Guten und im Schlimmen wie als etwas Selbst-
verständliches und es fiel ihnen nicht bei, aus ihren kleinen Entdeckungen viel Wesens zu machen.
Was sie manchmal nicht ohne Verstand, zumeist aber mit geringem Können und noch geringerem
Wissen verrichteten, besiegelte häufig das Schicksal antiker Bildwerke und das Votum des Gelehrten
blieb dagegen nicht selten macht- und erfolglos. Indem sie die gestürzten Trümmer wieder auf-
stellten, ergänzten, mit Attributen versahen, gaben sie ihnen zugleich Namen und Deutung, die sich
gar oft behaupteten, selbst wenn ihre Unrichtigkeit erkannt ward. Erst wenn die Handwerker ihre

i La vita di Benvenuto Ccllini scritta da lui medesimo ed. G. Guasti (Florenz 1890) II, 10, 7; 11, 1 (in der Ueber-
setzung von Goethe, Bd. XUV der Weimarer Ausgabe, S. 191, 202). Die Statue des Ganymedes ist abgebildet Plön, Ben-
venuto Cellini (Paris l883), Taf. XIV; vgl. Friederichs-Wolters, Bausteine, Nr. 1495.
 
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