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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 16.1895

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Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Ein veronesisches Bilderbuch und die höfische Kunst des XIV. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.5778#0160
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Ein veronesisches Bilderbuch und die höfische Kunst des XIV. Jahrhunderts.

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und zum Nachschlagen bestimmt, schon durch den Raum, den die Abbildungen einnehmen,1 ein
eigentliches Bilderbuch mit wenigen daruntergesetzten Textzeilen in stark gekürzter gothischer Mi-
nuskel. Ein Beispiel mag diese Erläuterungen veranschaulichen. Zuerst wird die Bezeichnung des ab-
gebildeten Gegenstandes (fol. 7: Granata dulcia), dann in der Weise der alten Medicin die Complexion
angegeben (Complectio? calida in primo, humida in secundo), dann die beste Sorte (Electio? meliora
sunt excorticabilia de facili et grossa), hierauf Nutzen und Schädlichkeit (Iuvamentum? conferunt
lussi et coytui. Nocumentum? faciunt inflationem), die Heilmittel dagegen (Remotio nocumcnti? cum
granatis acetosis), seine Wirkung auf den menschlichen Organismus (Quid generant? nutrimentum
laudabile), endlich welchem Temperament, Lebensalter, welcher Jahreszeit und Gegend er am meisten
zuträglich ist (magis conveniunt temperatis in caloritate, senectuti, in autumpno, in regione temperata).
Nach diesem Schema werden nach einander in ziemlich bunter Reihenfolge aber doch nach einem
leidlichen System die vegetabilischen Producte, Obst und Früchte, Gemüse, Gewürze und officinelle
Kräuter, die wohlriechenden Blumen, die Feldfrüchte, die klimatischen Verhältnisse, die animalischen

Fig. 2. Wappen der Cerruti.

Lebensmittel in allen Formen und Zubereitungsarten, die Getränke, die fremden Gewürze, die Be-
schäftigungen und psychischen Affecte, endlich die Kleidung abgehandelt. Ein alphabetisches Register
(fol. 2—3) erleichtert die Benützung.

Schon das mit zahlreichen dialektischen Formen durchsetzte Latein, die eigenthümliche Ortho-
graphie (fol. 38: Röxe = Rose, fol. 46: Ricon, fol. 50': Faxioli = fagiuoli) weist auf das östliche Ober-
italien wie die Schrift auf das Ende des XIV. Jahrhunderts. Die orientalische Vorlage ist noch in
einzelnen Ausdrücken (Nabach, Rutab etc.) und in der Auswahl gewisser Pflanzen etc. kenntlich, im
Uebrigen aber vollständig im national-italienischen Charakter aufgegangen, so dass diese Bilder für
die Cultur- und Sittengeschichte des italienischen Trecento grossen Werth haben.

Der Stil der Miniaturen lässt eine noch nähere Localisation zu: er ist jener der altveronesischen
Malerschule in der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts. Dies wird noch durch ein äusseres Merkmal
ausser Zweifel gesetzt. Die Handschrift stammt nämlich aus der Bibliothek einer adeligen Familie und
ist wohl von dieser bestellt worden. Auf fol. 3' finden wir nämlich eine Wappendarstellung (Fig. 2),
deren heraldisch wichtigste Bestandteile, Helm und Schild, auch auf den Ecken des Prologblattes (fol. 4)

1 Bildgrösse circa 18:20 Centimeter.

XVI. 19
 
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