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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 18.1897

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Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Die ältesten Medaillen und die Antike
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https://doi.org/10.11588/diglit.5779#0089
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DIE ÄLTESTEN MEDAILLEN UND DIE ANTIKE.

Von

Julius von Schlosser.

Die Wende des XIV. Jahrhunderts ist eine der merkwür-
digsten Epochen — im eigentlichen Sinne dieses Wortes — in
der Geschichte der neueren Kunst. Diesseits wie jenseits der
Alpen, im germanisch-gallischen Norden wie im lateinischen
Süden, tritt mit überraschender Gleichzeitigkeit, für unser
schwachsichtiges Auge fast zu unvermittelt, aus dem Dunkel
der vorausgehenden Zeit jener neue realistische Stil hervor,
dessen Ausbildung und Wachsthum die Kunstgeschichte des
XV. Jahrhunderts erfüllt; zahlreiche Fäden spinnen sich von

Die Denkmünzen der Carraresen
und die Sesto von Venedig.

I.

hüben nach drüben über die völkerscheidenden Berge; aber sie sind für uns noch den feinen Gespinn-
sten der Herbstluft vergleichbar, die wohl ungewiss im Sonnenlichte vor uns glitzern und unsere
Wange streifen, die aber unsere plumpe Hand nur mit Mühe erhascht.

Wie im Norden die flandrischen Landschaften, so beschreitet im Süden das alte Veneterland zu-
erst die Pfade der neuen Kunst; beide verwandt auch darin, dass sie jenes Element des Realismus, das
fürderhin ihre fast unbestrittene Domäne durch alle Zeiten hin bilden soll, gleich im Beginne zum
Ausdruck bringen: das Colorit. Aber in der Art, wie beide an die Natur herantreten, gibt sich der
ganze tiefe Gegensatz nördlichen und südlichen Wesens kund; während die Flandrer mit der schweren
Gewissenhaftigkeit des deutschen Stammes ihre Umgebung bis ins kleinste Detail copiren, erwächst
jenen Römerenkeln, aufgezogen auf einem Boden, der voll von Erinnerungen jener grossen Ahnenzeit
ist, ihnen, die allein unter ihren gallischen und rätischen Nachbarn jenseits des Mincio, Po und Taglia-
mento einen Dialekt rein italischen Gepräges sprechen, eine mächtige Hilfe in den Resten antiker
Kunst, die sie sogleich mit dem Verständniss und Geschick echter Nachkommen zu benützen wissen
und die auf sie im höchsten Grade formbildend, stilbildend eingewirkt haben. Freilich übernimmt Tos-
cana, wie einst zu Beginn des Trecento, auch im XV. Jahrhundert dann die Führerschaft und bildet
mit wissenschaftlichem Geiste das zweite wichtige Element des neuen Realismus, die Perspective,
aus, die im Norden nur empirisch betrieben wird. In der Kunst des östlichen Oberitalien begegnen
wir aber schon am Ende des XIV. Jahrhunderts einem verständnissvollen, formalen Studium der
Antike, in jener selben Landschaft, die später die Wiege Mantegna's werden sollte.

Zwei Elemente des neuen Stils, das Studium der Natur und jenes der Antike, lassen sich beson-
ders deutlich an der Geschichte eines nur zu oft mit Geringschätzung behandelten Kunstzweiges, der
Medaille, verfolgen, der in jenen Niederlanden der Nordsee und der Adria gleichzeitig hervortritt.
 
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