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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Kenner, Friedrich: Die Portätsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0044
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38

Friedrich Kenner.

Es gibt nur ein altes Porträt des Königs Ludwig XI., eben jenes, nach dem unser Bild copirt ist.
Es erscheint im Promptuarium von Rovillius ganz ähnlich; nur ist hier die höchst charakteristische
vorgebeugte Haltung weggelassen und dem Könige eine strammere, gerade Haltung gegeben.1 Ein
alter Kupferstich im Cabinet d'Estampes der Pariser Nationalbibliothek scheint auf die gleiche Vorlage
zurückzugehen, ist aber darin von unserem Bilde verschieden, dass er die Wendung im Gegensinne
gibt; auch fügt er eine Hutmedaille bei, die an der Unterseite der aufgebogenen Krämpe sichtbar ist;2
sie ist weder auf unserem noch auf dem Bilde in Versailles vorhanden, welch' letzteres übrigens wieder
andere Verschiedenheiten von unserem zeigt.3 Das Porträt bei Delpech4 aus der Galerie Orleans ver-
räth die gleichen Elemente, scheint aber beträchtlich modernisirt zu sein.

Der Meister des Originales lässt sich heute noch nicht mit Gewissheit nachweisen. Es ist wahr-
scheinlich, dass er einer der Hofmaler des Königs war, Jean Bourdichon aus Tours, geboren um die
Mitte des XV. Jahrhunderts, gestorben nach dem 29. Juli 1521, oder Jean Perreal, der 1528 aus den
Documenten verschwindet, beide Schüler des Fouquet, beide noch zur Zeit des Königs Franz I. thätig
und mit der höchsten damaligen Besoldung von 240 Livres ausgezeichnet.5 Dass das Fouquet zuge-
schriebene männliche Porträt der Galerie Liechtenstein in Wien6 Ludwig XI. darstelle, ist schon von
anderer Seite bezweifelt worden;7 es ist in der That dem ältesten Bildnisse des Königs so unähnlich
als möglich.

Die Bildnisse zweier Töchter, der ältesten und der jüngsten, des Königs Karl VII., Schwestern
des Königs Ludwig XI., finden sich unter den dem Stammbaum des Erzhauses entnommenen Bildnissen
aufgeführt; es sind Radegonde, Braut des Erzherzogs Sigmund von Tirol,8 geboren 1428 oder 142g,
verlobt am i3. September 1430, vor der Vermählung gestorben am ig. März 1444, und Madeleine,9
Braut des Königs Ladislaus Posthumus, verlobt 1457; der Bräutigam starb vor der Vermählung in dem
eben genannten Jahre.

159. Karl VIII.,

Sohn Ludwig XI. und der Königin Charlotte (von Savoyen), geboren in Chäteau d'Amboise am 3o. Juni 1470, bestieg
mit 14 Lebensjahren den Thron. Anne de France, seine ältere Schwester, welche die Regentschaft führen wollte,
gerieth in Kampf mit dem Herzoge von Orleans (nachmals Ludwig XII.), der Ansprüche auf die Regentschaft
erhob und sich mit Francois II. von Bretagne verband. Der Sieg bei St. Aubin du Cormier (28. Juli 1488) brachte
Orleans in Gefangenschaft und die Bretagne in den Besitz Frankreichs. Die hierauf in längerer Friedenszeit ge-
sammelten Reichthümer setzten den König in den Stand, nach dem Wunsche des kriegerisch gesinnten Adels und
aufgefordert von Lodovico Sforza, seine ererbten Ansprüche auf Neapel geltend zu machen (1494). In einem
beispiellosen Siegeszuge befreite er Pisa von den Florentinern, Florenz von den Mediceern, Siena von den Petrucci,
zwang Papst Alexander VI. zum Frieden und Hess sich von ihm, nachdem Andreas Palaeologos ihm seine Rechte
abgetreten hatte, zum Kaiser von Constantinopel proclamiren (1495), wohin er nach Einnahme von Neapel zu

1 Die Zeichnungen der französischen Bildnisse dieses Werkes (in Form kleiner Medaillons) rühren nach Henry Bouchot,
Gazette des beaux ans 1887 (2. Periode, Tome XXXVI), p. 220, von Corneille de Lyon (Mitte des XVI. Jahrhunderts)
her, der dazu theilweise ältere Vorlagen benützte. Die erste Ausgabe des Rovillius ist 1553 erschienen. Einzelne Bildnisse
daraus sind auch in Jacopo de Strada's Epitome du tresor des antiquites benützt, ein Werk, welches ebenfalls 1553 und
in Lyon erschienen ist. Vgl. Hirth, Culturgeschichtliches Bilderbuch II, S. XI, wo einzelne Proben gegeben werden.

2 Abgebildet bei Alois Heiss, Les Medailleurs de la Renaissance, Laurana, p. 33. pl., II. Ueber die Medaille vgl. oben,
S. 37, Note 2.

3 Gal. hist. de Versailles, Tome IX, Serie X, Section 1, Nr. 1146: im Gegensinne, gleiche Haube, darüber Hut mit
breiter, runder Krämpe; Pelzschaube.

4 Iconographie francaise par Madmc Delpech, Paris 1840, II, unter L: Dreiviertelprofil rechts, die Haare von der
Haube völlig bedeckt, mit Pelzschaube.

5 Henry Bouchot, Les Clouet et Corneille de Lyon, aus: Les artistes celebres, Paris, 1892/93, p. 1 f., und desselben
Autors Abhandlung: »Le Portrait peint en France au XVI- Siecle< in Gazette des beaux-arts 1887, II, 218 f.

" Unter Anderen abgebildet in v. Reber und Baiersdorfer, Classischer Bilderschatz, Nr. 277.

' Thausing in v. Lützow's Zeitschrift für bildende Kunst XV (1880), S. 88. Vgl. Marc Patisson, The renaissance of
art in France I, 293.

8 Jahrbuch XIV (1893), S. 117, Nr. io3.

9 Ebenda, S. 126, Nr. 127.
 
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