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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Wickhoff, Franz: Sacchis Restauration der sterbenden Mutter des Aristides
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0393
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Sacchis Restauration der sterbenden Mutter des Aristides.

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Mit gleicher Umsicht hat er die Gruppe geordnet, sie sorgfältig auf eine monumentale Wirkung
berechnet. Der rechte Arm und die linke Schulter bilden eine horizontale Bank, worüber sich wie
eine Kuppel die Wölbung des Schädels erhebt, auf dem der Wickel der Haare, horizontal abschneidend,
die Richtung der grossen oberen Abschlusslinie der Composition nochmals anklingen lässt. Die Umriss-
linien gehen nach unten zu symmetrisch beiderseits dem Durchschnitte eines abgestutzten Kegels ent-
lang und werden unten links durch den Contour der linken Fusssohle, rechts entsprechend durch die
Wendung der Mantelfalte gegen die Basis zu abgeschrägt. Die Gruppe Hesse sich mit einem Trapeze
umschliessen, über dessen Mitte ein Halbkreis auftaucht und von dessen Ecken gleichseitige Dreiecke

Fig. 2. Andrea Sacchi, Die sterbende Mutter.
(Wien, kaiserliche Gallcrie.)

abgeschnitten sind. Zögen wir durch die Mitte dieser P"igur eine Senkrechte, so träfe sie das Münd-
chen des saugenden Kindes, und legten wir durch diese Stelle eine Horizontale, so würde diese das
Bild in zwei gleiche Hälften theilen. Durch eine sinnreich ausgedachte Anordnung fallen auf diese
Weise der virtuelle und der wirkliche Mittelpunkt der Gruppe zusammen. Wäre die Gruppe in die
Mitte der Leinwand gesetzt worden, so hätte ihre feierliche Regelmässigkeit den Beschauer vielleicht
zu ausschliesslich beschäftigt, hätte ihn vielleicht von dem Gefühlsinhalte zu sehr abgezogen, wegen
dem die Composition entworfen worden war. Desshalb hat der Maler die Gruppe gegen rechts gerückt
und ihren strengen Aufbau durch einen nach links über sie hinausgeworfenen Gewandzipfel für den
naiven Beschauer verborgen. Er wird jetzt zwar noch durch die Regelmässigkeit und Grösse der Gruppe
geistig erhoben, ohne dass sein Interesse vom Inhalte des Bildes abgelenkt würde.

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