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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 20.1899

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I. Theil: Abhandlungen
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Dollmayr, Hermann: Albrecht Duerers Meerwunder
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https://doi.org/10.11588/diglit.5730#0006
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ALBRECHT DUERERS MEERWUNDER.

Von

Hermann Dollmayr.

ls Adam v. Bartsch die Kupfer Albrecht Dürers beschrieb, reihte er den Stich,
dessen Vorwurf ich nun deuten will, als 7isten unter die Werke des Meisters ein und
erklärte ihn für den Raub der Amymone. Es ist das Bild mit dem wilden Meer-
mann, der ein Weib — das perlenbesetzte Diadem in ihren Haaren sagt, eine
Königin — geraubt hat und damit durch die Wellen flüchtet, die sich leise an
den Mauern eines Städtchens brechen, das vom Grün halb verdeckt und von einer
hohen Veste gekrönt wird. Das Scheusal, das am langen Barte, den Hörnern und
Ohren einem Satyr gleicht, sonst halb Fisch, halb Mensch ist, presst mit der Rechten die nackte Schöne
fest an seinen schuppigen Leib und hält mit der Linken eine Schildkrötenschale und einen mächtigen
Kinnbacken, seine Wehr und Waffen, vor sich hin, bereit, allsogleich Jedem trutzig zu begegnen, der
ihm seine Beute wieder abjagen wollte. Kräftig regt es seine spitzigen Flossen und stürmt in die offene
See hinaus, weg vom Ufer, das drei andere Frauen, die mit der Entführten gebadet haben, eilends zu
gewinnen suchen und wo eine vierte aus Schrecken über das hereingebrochene Unheil ohnmächtig
zusammengesunken ist. Ein Mann in morgenländischer Kleidung — die Krone bezeichnet auch ihn
als König — eilt bestürzt den Burgfelsen herab, ringt die Hände und tauscht seine Klagen mit dem
Weibe aus, das vom Rücken des Unthiers verzweifelnd auf die Ihrigen zurückblickt (Taf. I).

Als Bartsch das Weib Amymone nannte, gab er dem Blatte damit gewiss keinen neuen Titel
sondern behielt dafür offenbar nur eine ältere Bezeichnung bei, die ihm, wenn sie die Scene schon
nicht völlig erklärte, doch vor jeder anderen den Vorzug zu verdienen schien. Was allzu laut dagegen
sprach, suchte er durch die Anmerkung zum Schweigen zu bringen: »es hat den Anschein, dass dies
wirklich der Gegenstand des Stiches ist, obgleich er nicht in allen Punkten mit dem übereinstimmt,
was uns Lucian in seinen Gesprächen der Meergötter berichtet«. Damit gaben sich auch die übrigen
Zweifler zufrieden. Sie begannen in dem Unholden den Triton zu sehen, der bei Lucian, kuppelnd,
wie der Diener eines üppigen Herrn, die Amymone dem Neptun in die Arme treibt, und drückten dar-
über, dass sich der ganze Vorgang eigentlich auf dem Lande abspielen sollte, schliesslich auch das
andere Auge zu.

Mit der Beziehung auf Lucian ging eben die Sache noch so leidlich; denn die ältere Ueberlieferung,
wonach die liebliche Tochter des Danaus, von einem Satyr bedroht, selbst den Neptun herbeiruft und
sich ihm darauf aus Dankbarkeit für seinen Beistand freiwillig in die Arme wirft, wollte schon nicht
mehr recht zu dem reifen Weibe passen, das hier so heftig dem Gräuel widerstrebt, der sich auch von
Niemand für den Beherrscher der Wogen in Person nehmen Hess. Darüber aber, dass sich das Mädchen
mit ihren Schwestern nicht ans Gestade begeben hatte, um zu baden, sondern, dass sie auf Geheiss
ihres Vaters zur lernäischen Quelle gegangen war, um Wasser zu holen, was der Stich in keiner Weise
andeutet, glitt man eben so still hinweg wie über den bedenklichen Umstand, dass A. Dürer Amymone
allein von ihren Schwestern durch ein königliches Diadem ausgezeichnet hätte.

XX. I
 
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