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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Kallab, Wolfgang: Die toskanische Landschaftsmalerei im XIV. und XV. Jahrhundert, ihre Entstehung und Entwicklung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0016
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Die toscanische Landschaftsmalerei im XIV. und XV. Jahrhundert, ihre Entstehung und Entwicklung.

Localbezeichnendes Beiwerk, an dem es auf den griechischen Vasenbildern seit dem schwarz-
figurigen Stile nicht fehlt,1 tritt auf den Reliefs erst gegen Ende des IV. Jahrhunderts auf. Der soge-
nannte kleine Fries von Pergamon2 ist das erste Denkmal, wo Felsen und Architekturstücke breiteren
Raum einnehmen. Die bescheidenen Andeutungen der Vasenbilder werden hier in die Plastik übertragen.
Felsblöcke, die hinter den Figuren aufsteigen, ein Tempelchen auf hohen dünnen Säulchen, ein übereck-
gestellter Altar, eine Basis, da und dort ein Baum mit spitz ausgemeisselten Blättern, das ist der ganze
Apparat, der aufgewendet wird. Die »ganz und gar malerische Compositionsweise«, die man an dem Tele-
phosfriese entdeckt haben will,3 lässt sich nicht einmal den sogenannten hellenistischen Reliefbildern 4
ohne Vorbehalt einräumen. Landschaftlicher oder architektonischer Hintergrund ist hier allerdings
Regel; aber das Beiwerk bleibt im Rahmen des andeutenden Stiles. Die Felsen bestehen aus eingepassten
Bruchsteinen oder ahmen den Durchschnitt durch ein plattiges Schiefergeschiebe nach. So naturalistisch
die Einzelheiten erfasst sind, so conventionell ist ihr Aufbau: sie bilden bald senkrechte Wände hinter
den Gestalten oder legen sich, den Grund freilassend, um sie herum, bald ragen sie über die Figuren des
ersten Grundes klippenartig hervor und bieten einer zweiten Reihe derselben Raum. Geschlossene Land-
schaftsbilder, wie die bakchische Scene (Turin, Museo di Antichitä) oder die Einfahrt in den Hafen 5
(Rom, Museo Capitolino), naturalistische Vordergrundscenerien, wie die Höhlen auf den Grimanischen
Brunnenreliefs (Wien, Hofmuseum) oder die Felsschlucht auf der Platte mit den herabsteigenden
Frauen6 (Berlin, königliche Museen), bilden Ausnahmen. Baumschlag und Pflanzen sind bis auf Ein-
zelheiten naturgetreu, stehen aber stets isolirt, ohne sich in das Landschaftsbild einzufügen. Nur die
architektonischen Hintergründe streben eine gewisse bildmässige Wirkung an. Ueberschneidun gen,
Verkürzungen werden gewagt; aber die Raumwirkung der Perspective ist dadurch gemildert, dass sich
die verkürzten Seiten der Gebäude nur um ein Geringes von ihrer planimetrischen Gestalt entfernen und
Deckungen nur bei Bauten vorkommen, die mit ihrer Langseite parallel zur Bildfläche stehen. Ab und
zu rufen perspectivisch verkleinerte Häuschen auf Anhöhen Erinnerungen an die Malerei wach.

Auf dem conservativen Standpunkte der Vasenbilder beharren die meisten Sarkophagreliefs,7 auf
welchen nur die bukolischen Scenen landschaftlich ausgestaltet sind, die Reliefs von der Ära pacis
Augusti, vom Nervaforum8 u. s. f. Von diesen Werken, die noch unter dem Einflüsse der classischen
Kunst stehen und die Anlehnung an die Malerei vermeiden, unterscheiden sich jene, die den Vergleich
mit gemalten Landschaften herausfordern. Ihre Schöpfer begnügen sich nicht mit Symbolen sondern
wollen realistische Naturaufnahmen, sogar Veduten, von starker perspectivischer Wirkung geben und
schrecken auch nicht vor der Darstellung der wellenbewegten Wasserfläche zurück. Nichts ist geeig-
neter, die Schwächen des antiken darstellenden Stiles hervortreten zu lassen, als ein Vergleich seiner
Uebertragung in die Plastik mit den ähnlichen Versuchen, die in der italienischen Kunst des XV. Jahr-
hunderts gewagt wurden. Auf den Reliefs von Donatello, Ghiberti, Benedetto da Majano findet man

1 Woermann, a. a. O., S. in—i3o, 3oi f.; Ueber die Landschaften in der monumentalen Malerei, ebenda, S. 156 f.;
Robert, Nekyia, S. 21; ders., Die Iliupersis des Polygnot (17. Hallisches Winckelmannsprogramm), S. 26.

2 Robert, Jahrbuch des kais. deutschen archäol. Institutes II (1887), S. 244—259; III, S. 45—65, 87—105, mit dürftigen
Skizzen. Auszunehmen sind Werke, die, wie das Heroon von Gjölbaschi, die Reliefs von Pinara oder vom Nereidenmonu-
ment, directe oder indirecte assyrische Einflüsse erfahren haben: Benndorf, Das Heroon von Gjölbaschi-Trysa, Jahrbuch der
kunsthistor. Sammlungen des Allerh. Kaiserhauses IX, Beilage, Taf. XII f., XVI; Jahrbuch IX, S. I23f.; Benndorf, Reisen in
Lykien I. Nereidenmonument: Michaelis, Annali del Inst., Bd. 47 (1875), S. 117 f.; Monumenti, Vol. X, tav. 16 f und u;
Woermann, a. a. O., S. 140.

3 Overbeck, Geschichte der griechischen Plastik, 4. Auflage, II, S. 285 f.

4 Schreiber (Die Wiener Brunnenreliefs aus dem Palaste Grimani) versuchte es, die ganze Gruppe als hellenistisch, und
zwar alexandrinisch zu erweisen. Wickhoff, a. a. O., S. 23 f., nahm sie für die römische Kunst der augusteischen Zeit in An-
spruch. Schreiber vertheidigte seine Ansicht nochmals (Jahrbuch der kais. deutschen archäol. Institutes XI [1896], S. 78 f.).
Wir halten an Wickhoffs Ansetzung fest, der sich auch Furtwängler angeschlossen hat.

5 Schreiber, Die hellenistischen Reliefbilder, 1889—1893, Taf. LX, LXXIX.

6 Ebenda, Taf. I, II, XC.

7 Robert, Die antiken Sarkophagreliefs III (Berlin 1897), Taf. I, IV, XIV, XVII, XXII u. s. f.

8 Ära pacis: Duhn, Annali 1881, p. 302—342; Monumenti XI, tavv. XXIV—XXVI; vgl. Annali 1885, p. 320 f. Reliefs
vom Nervaforum: Blümner, Annali 1877, p. 5 f.; Monumenti X, tavv. XL ff.

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