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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Kallab, Wolfgang: Die toskanische Landschaftsmalerei im XIV. und XV. Jahrhundert, ihre Entstehung und Entwicklung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0095
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gO Wolfgang Kallab. Die toscanische Landschaftsmalerei im XIV. und XV. Jahrh., ihre Entstehung und Entwicklung.

gelbbraun getönt, das niedrige stachlige Gestrüpp blaugrün und die von den Reflexen des glühenden
Sonnenbrandes fast aufgezehrten Schatten hellblau. In diesen lichten Tönen, unter denen ein etwas
schneidendes Lichtblau vorwiegt, bewegen sich die frühen Landschaften des Andrea del Sarto, des Fran-
ciabigio, des Fra Bartolommeo und des Bacchiaca.

Ungeachtet aller Freiheiten in der Auffassung der Motive und ihrer coloristischen Behandlung,
die weit über die Leistungen der übrigen Quattrocentisten hinausgehen, hängt die Gestaltung der Land-
schaft bei Piero doch von dem Aufbau der Figuren ab. Die »Anbetung der Hirten« (Berlin, kgl. Mu-
seen) ist eines der wenigen Werke, wo der Künstler ein Stück Natur ohne Rücksicht auf den Vorder-
grund in das Bild zu stellen wagt. Sonst ergänzt die Landschaft die Figurencomposition oder nimmt
deren beherrschende Linien auf (»Heimsuchung« in Newlands Manor; »Anbetung des Kindes« bei

Mr. Street; »heil. Familie« in der Dresdener Gal-
lerie; »Conception« in den Uffizien; »Venus und
Mars«, Berlin, kgl. Museen). Eines dieser Werke, »der
Tod der Prokris« in der National-Gallerie zu London
verdient eine besondere Erwähnung; denn keinem
der Florentiner Maler ist eine so harmonische Ver-
schmelzung zwischen der formalen und der Stim-
mungswirkung von Figuren und Landschaft geglückt
wie sie hier der einsame Sonderling Piero mit den ein-
fachsten Mitteln erreicht hat.

Mit Piero di Cosimo und seiner Schule schliesst
die Geschichte der toscanischen Landschaftsmalerei.
Andrea del Sarto, der auf seinen Fresken im Vorhofe
der SSma Annunziata (Fig. 51) die Figuren zuweilen
zur Staffage herabdrückt und unter den Florentinern
der Einzige ist, bei dem sich die Einwirkungen der
Tradition vollständig verloren haben, lässt diese Seite
seines schönen Talentes verkümmern. Nur auf Truhen-
bildern (»Geschichte Josephs«, Gallerte Pitti, Nr. 87
und 88; »Apollo und Daphne«: Gallerie Corsini, Flo-
renz) bringt er seine fein abgestimmten Landschaften
an. Dass er aber noch in späteren Jahren Interesse
dafür besass, beweist ein Skizzenbuch mit landschaft-
lichen Naturstudien in den Uffizien vom Jahre 1527.

Der toscanischen und umbrischen Landschaftsmalerei war in der Kunst ihres Zeitalters nicht der
breite Raum gegönnt wie in den Niederlanden; sie bildet auch nicht das Vorspiel für eine bedeutende
Entfaltung in den folgenden Jahrhunderten wie in Venedig. Ihre Rolle in der Geschichte der moder-
nen Landschaft ist klein; sie ist eine Episode und nimmt auf die Schicksale der Gesammtentwicklung
geringen Einfluss. Und doch bietet sie für den Historiker Interesses genug; denn sie ist das einzige
Beispiel für den Uebergang von der mittelalterlich typischen zu der modern individuellen Auffassung,
das Mittelglied zwischen dem gebundenen Formenwesen, das aus der römischen Kunst heranwächst,
und jener freien Entfaltung, an der wir im letzten Ende noch selbst theilnehmen. Sie enthüllt uns ein
Bildungsstadium, das wir auch für die nordische Landschaftsmalerei vorauszusetzen haben, das wir
aber in dieser Breite und Ausführlichkeit, an so zahlreichen und wohlerhaltenen Denkmälern sonst
nirgendwo zu verfolgen vermögen.

Fig. 52. Piero di Cosimo, Landschaft aus der
»Conception«, Uffizien. .
(Nach Photographie von Alinari.)
 
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