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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Glück, Gustav: Beiträge zur Geschichte der Antwerpner Malerei im XVI. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0026
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20

Gustav Glück.

3. Moses zeigt den Juden die Gesetztafeln, bezeichnet und datirt vom 25. November 1523,
im grossherzoglichen Museum zu Weimar. Moses steht am Abhänge des Berges Sinai und erklärt
dem versammelten Volke, das um ihn herum gelagert ist, die Gesetztafeln (Fig. 7).

Da alle diese durch treffliche Composition und reiche Ausbildung des Landschaftlichen aus-
gezeichneten Blätter aus einem und demselben Jahre stammen, so liegt die Vermuthung nahe, dass sie
zu einer Folge gehört haben, deren Zahl wir jedoch nicht mehr zu bestimmen vermögen.

Das Gleiche ist der Fall bei einem Cyklus von Darstellungen aus dem Leben Christi, der offenbar
zu dem eben beschriebenen in naher Beziehung steht:

4. Die Versuchung Christi, bezeichnet aber nicht datirt, im grossherzoglichen Museum zu
Weimar. In einer gebirgigen Landschaft steht Christus in würdevoll abwehrender Geberde dem Teufel
gegenüber, der ihm den Stein entgegenhält, der durch das Machtwort Christi zum Brote werden soll
(Fig. 9). Dasselbe dem Evangelium entnommene Motiv des Steines, das auf anderen Darstellungen fehlt,
kommt auch sonst in der Antwerpner Kunst dieser Zeit vor, wie z. B. auf dem Altarflügel des sogenann-
ten Meisters von Linnich im Germanischen Museum zu Nürnberg (Nr. 66). Der Teufel ist hier sehr
phantastisch herausgeputzt, hat Hörner auf dem Haupte, Flügel an den Schultern, Vogelklauen und
Vogelfüsse und einen langen Schwanz, auf dem ein Hahn sitzt und pickt. In den fernen Wolken sieht
man Christus und den Teufel einer Bergesspitze zuschreiten, rechts im Hintergrunde liegt Jerusalem.
Die Darstellung stimmt fast genau mit dem Kupferstiche des gleichen Gegenstandes (B. 5) aus dem
Jahre 1525 überein. Nach dem Stile, der dem der eben erwähnten Blätter ganz nahe verwandt ist,
muss diese Zeichnung jedoch in das Jahr 1523 gesetzt werden. Dafür sprechen auch schon die nun
folgenden datirten Blätter desselben Cyklus.

5. Die Bergpredigt, bezeichnet und datirt vom 25. November 1523, im grossherzoglichen
Museum zu Weimar. Christus sitzt, umgeben von seinen zwölf Jüngern, auf der Spitze des Berges; das
Volk hört, um den Fuss des Berges gelagert, andächtig zu (Fig. 8). Auffällig ist, dass die Composition
dieses Blattes mit der des früher genannten, das Moses mit den Gesetztafeln zeigt, fast völlig überein-
stimmt; noch auffälliger ist aber, dass beide Zeichnungen, wie wir den Inschriften entnehmen, an
einem Tage entstanden sind. Ich glaube, der Schluss ist nicht zu gewagt, dass unsere beiden Folgen
zusammen gehören und ursprünglich einen Cyklus mit Paralleldarstellungen aus dem Leben Mosis
und Christi gebildet haben. Gerade die Gesetzgebung und die Bergpredigt kommen schon in den
metrischen Inschriften des Elpidius Rusticus nebeneinander vor, und auch in den Frescomalereien der
sixtinischen Kapelle erscheinen sie als Gegenstücke.1 Wie die übrigen Blätter der beiden Reihen zu-
sammengehört haben, lässt sich nicht mehr feststellen, da zu den vorhandenen Darstellungen die ent-
sprechenden Gegenstücke verloren gegangen zu sein scheinen.

6. Christus und der Hauptmann von Kapernaum, bezeichnet und datirt vom 2g. No-
vember 1523, im grossherzoglichen Museum zu Weimar. Lfnks eilt, in reiche, modische Tracht ge-
kleidet, der hilfesuchende Hauptmann herbei. Rechts steht Christus, dem eine Schaar von Jüngern folgt.
Den Hintergrund bildet eine schöne Landschaft mit Gebäuden in gemässigtem Renaissancegeschmack.
Links sieht man zwei Krieger im Gespräche, die offenbar zum Gefolge des Hauptmannes gehören
(Fig. 10).

Aus demselben Jahre 1523 stammen zwei Zeichnungen, die wahrscheinlich zu einer Folge der
Geschichte Davids gehören:

7. David erschlägt Goliath, bezeichnet aber nicht datirt, in der Albertina zu Wien. David
kniet über dem niedergestürzten Riesen und schwingt ein gewaltiges Schwert gegen das Haupt
Goliaths. Manche Einzelheiten, die auf den eben beschriebenen Blättern aus dem Jahre 1523 wieder-
kehren, machen es wahrscheinlich, dass auch diese Zeichnung in dasselbe Jahr gehört. Die Rüstung
Goliaths stimmt in den Formen genau mit der Jethros auf dem »Zuge der Juden durch das rothe
Meer« überein. Auch in der Landschaft findet man viel Verwandtes.

1 Vgl. E. Steinmann im Jahrbuch der preuss. Kunstsammlungen, Bd. XVI (1895), S. 190.
 
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