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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Glück, Gustav: Aus Rubens' Zeit und Schule: Bemerkungen zu einigen Gemälden der kaiserlichen Galerie in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0017
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Aus Rubens' Zeit und Schule.

dem Kinde von Gerard Zegers her, die Guirlanden von Blumen und Früchten sind von Jan De Heem,
die Warfen von Paul DeVos,1 der «Grund» von Cornelis De Vos, eine Schlachtdarstellung, die früher
seitwärts im Hintergrunde zu sehen war, von David Teniers d. J. Die edle Gestalt der Madonna ist in
Gerard Zegers' spätestem Stile gemalt und man wird demnach die Entstehung des Bildes gegen das
Ende der vierziger Jahre des XVII. Jahrhunderts ansetzen müssen. Dazu stimmt unsere Annahme,
daß das Gemälde im Auftrage Erzherzog Leopold Wilhelms entstanden ist, der erst seit 1647 Statt-
halter der Niederlande war. Um dieselbe Zeit hat auch Jan De Heem, einer der Mitarbeiter an diesem
Bilde, für den Erzherzog einige Stücke gemalt, von denen eines das Datum 1648 trägt.

II. Frans Wouters.

Gerard Zegers' Namen führen in der Wiener Galerie noch vier Gemälde, hübsche, mittelgroße
Landschaften mit Staffagen von kleinen, zierlichen Figuren. Auf den ersten Blick sieht man, daß sie
von einer Hand herrühren; doch befremdet die Zuschreibung an Zegers, unter dessen zahlreichen
bekannten Werken uns nichts Ähnliches begegnet. Die künstlerische Auffassung dieser Landschaften paßt
ganz und gar nicht zu Gerard Zegers. Ebenso wenig wird man an ihn erinnert, wenn man die Figuren an-
sieht. Eines der Bilder stellt die heilige Familie mit dem heil. Antonius von Padua dar (Nr. 1106,
Engerth 1241, Fig. 4), das zweite Hagar in der Wüste (Nr. 1105, Engerth 1240, Fig. 5), das dritte
einen Bacchantenzug (Nr. 1104, Engerth 1243, Fig. 6) und endlich das letzte die schlafende Diana mit
der Jagdbeute und ihren Hunden (Nr. 1101, Fig. 7). Alle diese Figuren zeugen von einem gewissen
Einflüsse Rubens', vielleicht auch von der Einwirkung Van Dycks. Sie rühren von einem Künstler her,
der von diesen beiden Großen sein Bestes gelernt hat und auch nirgends versucht, seine Abhängigkeit
von ihnen zu verbergen. Doch offenbart sich sein eigener Geschmack in einer gewissen Neigung zum
Zierlichen, ja manchmal fast zum Süßlichen. Am meisten macht sich dieses Streben in der Behandlung
des Nackten geltend; es ist bezeichnend, daß die «schlafende Diana», als sie noch im kaiserlichen
Schlosse zu Prag war, den Namen Adriaen Van der Werffs geführt hat. Bei alledem zeugt doch auch
die Modellierung der Akte von dem sorgfältigen Naturstudium, wie es in Rubens' Schule herkömmlich
war. Gerade mit Figuren von Gemälden aus Rubens' letzter Zeit haben die weiblichen Gestalten dieser
Bilder die nächste Verwandtschaft. Ganz reizend ist die Bildung der Putten und Englein, die uns
manchmal an Van Dyck erinnern; man kann kaum etwas Lieblicheres sehen als die Brunnenfigur des
Amor mit dem Füllhorn auf dem Bilde der heiligen Familie.

Das beste aber an allen vier Gemälden ist ohne Zweifel die Landschaft. Selten ist in der vlämi-
schen Malerei jener Tage der Wald mit so großer Liebe gemalt worden. Der Künstler, der solche
Werke geschaffen hat, ist ein geborener Landschaftsmaler. Er hat sich die Natur besser angesehen als
die meisten anderen Nachfolger des Rubens, was schon allein die ganz vortreffliche Behandlung des
Baumschlages beweist. Die Landschaften sind, wie dies in der vlämischen Schule die Regel ist, kom-
poniert. Dichter Wald bedeckt meist den größten Teil des Bildes und nur seitlich öffnet sich ein Durch-
blick auf freies, hügeliges Land. Die Auffassung der ganzen Landschaft wie auch manche Einzelnheiten,
darunter besonders der von streifigen Wolken durchzogene Abendhimmel, erinnern unwillkürlich an
die Naturanschauung der großen Venezianer des XVI. Jahrhunderts. Tizians Werke waren damals bei
den Sammlern der südlichen Niederlande sehr beliebt und daher nicht selten; sie wurden viel bewun-
dert und fast ebenso viel von vlämischen Künstlern kopiert. Solche Kopien begegnen uns häufig in den
Inventaren vlämischer Privatsammlungen des XVII. Jahrhunderts; der bekannte Landschaftsmaler Lucas
van Uden hat auch zwei Blätter nach landschaftlichen Darstellungen Tizians oder, besser gesagt, nach

1 Daß Waffen und andere Geräte gerade eine Spezialität dieses vortrefflichen Tiermalers waren, beweist der Triumph
Amors in der kaiserlichen Galerie (Nr. Ii 19), wo der Amor allein von Jan Van den Hoecke gemalt ist, während alles übrige
von Paul De Vos herrührt, dessen bisher unbeachtete Bezeichnung das Bild rechts unten trägt.
 
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