Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Glück, Gustav: Aus Rubens' Zeit und Schule: Bemerkungen zu einigen Gemälden der kaiserlichen Galerie in Wien
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0029
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Aus Rubens' Zeit und Schule.

23

König Karls I.; es trägt auf der Rückseite das eingebrannte Zeichen dieser Sammlung. Hier istWouters
seinem großen Lehrer so nahe gekommen, daß das Bildchen viele Jahre Rubens' Namen führen konnte,
bis endlich Ernest Law (The Royal Gallery of Hampton Court illustrated, London 1898, p. 240) die
richtige Benennung aus den alten Inventaren der königlichen Sammlungen nachwies. Diese Landschaft
ist ganz im Geiste jener großartigen Schöpfungen gehalten, die von der Freude des alternden Rubens
an der ländlichen Zurückgezogenheit auf seinem Schlosse Steen zeugen und in denen er sich als einer
der größten Landschaftsmaler aller Zeiten gezeigt hat. Dieselbe Gegend in ähnlicher Anordnung und
mit ähnlicher Staffage finden wir auf Frans Wouters' Gemälde dargestellt. Der weite Blick in die ebene
Ferne, der Regenbogen, die Staffage des Vordergrundes mit der Herde und dem Landmanne bei seiner
Beschäftigung sind Lieblingsmotive der Rubens'schen Landschaften. Die nahe Verwandtschaft erklärt
sich leicht, wenn man annimmt, daß Wouters zur Zeit des Ankaufes des Schlosses Steen (Mai 1635)
noch in Rubens'Werkstatt war und ihn vielleicht auch auf dem neu erworbenen Landgute besucht hat.
Die prächtige Färbung und die leichte, geistreiche Malweise seines Meisters hat Wouters freilich nicht
erreicht. Trotzdem steckt in diesem kleinen Werke mehr von Rubens'Auffassung als in vielen anderen
Arbeiten seiner Schüler, die ihn oft mehr kopiert als nachgeahmt haben.

Wie lange Wouters in England blieb, darüber haben wir keine Nachrichten. Im Sommer 1641
ist er wieder in Antwerpen nachweisbar, von wo er am 26. August desselben Jahres mit seinen älteren
Berufsgenossen Jakob Moermans und Kasper Jouwens nach dem Schlosse Steen fährt, um dort die von
seinem Lehrer hinterlassenen Gemälde zu schätzen (Antwerpsch Archievenblad II, p. 95). Es scheint,
daß Wouters schon eine geraume Zeit vorher nach Antwerpen zurückgekommen war und seine freund-
schaftlichen Beziehungen zu Rubens wieder fortgesetzt hatte. Für diese Annahme spricht statt urkund-
licher Zeugnisse ein Gemälde, das ich mir in der Zeit zwischen Wouters' Reise nach England und
Rubens' Tode entstanden denken möchte: eine mit dem vollen Namen des Künstlers bezeichnete mittel-
große Tafel im fürsterzbischöflichen Schlosse zu Kremsier, auf die zuerst Theodor von Frimmel (Kunst-
chronik XXIV, S. 323) aufmerksam gemacht hat. Dargestellt ist hier die Entdeckung von Kallistos
Fehltritt (Fig. i3), ein Gegenstand, den auch Rubens in einem Bilde, das aus den letzten Jahren seines
Schaffens stammt und gegenwärtig zu den Schätzen des Prado gehört, freilich in völlig anderer Auf-
fassung, behandelt hat. Trotzdem ist in den kleinen Figuren des Kremsierer Bildes Rubens' Einfluß
unverkennbar. Diese weiblichen Gestalten sind ganz nach seinem Vorbilde geschaffen, sie zeigen den
vollen, reifen Typus seiner spätesten Zeit; man vergleiche nur z. B. die Figur der rechts ganz vorne
sitzenden Nymphe mit der ganz ähnlichen auf Rubens' Göttermahl der Heseltine'schen Sammlung
(gestochen von F. Van den Wyngaerde). Ebenso viel Verwandtschaft findet man in dem landschaft-
lichen Teile des Bildes: die Architektur stimmt fast völlig überein mit der des Liebesgartens zu Madrid,
wo derselbe Torbogen mit den Telamonen und den Rustikapfeilern vorkommt. Ähnliche Brunnen
wie der hier dargestellte mit dem Knaben und dem Delphin finden sich auf Rubens' Schöpfungen aus
verschiedenen Zeiten. In ganz derselben Ansicht ist derselbe Brunnen aber auf dem Bade der Diana
der ehemals Schubartschen Sammlung (Fig. 12) dargestellt, einem Gemälde, das Richelieu aus Rubens'
Nachlasse erworben hat und das daher mit Sicherheit der allerletzten Zeit des Meisters zugeteilt wer-
den darf (Gornelis Hofstede de Groot, Sammlung Schubart, München s. a., S. 7). Die Übereinstimmung
der beiden Brunnen ist zu genau, als daß man nicht annehmen müßte, Wouters habe diese Einzelnheit
■ nach dem Gemälde seines Lehrers, das damals noch nicht gestochen worden war, oder nach dessen
Skizze geradezu kopiert. Dies scheint mir zu beweisen, daß Wouters auch in den Jahren kurz vor
des Meisters Tode noch in dessen Werkstatt gearbeitet hat.

Nur um weniges später möchte ich eine Anzahl von Gemälden ansetzen, die ebenfalls Rubens'
starke Einwirkung verraten: Prometheus auf dem Felsen und Pomona mit dem Füllhorn, beides Figuren
etwa von halber Lebensgröße im Museum zu Lille (Nr. 632 und 633), Gemälde, in denen die
Landschaft stark gegen die Figuren zurücktritt, was sonst bei unserem Meisterselten der Fall ist; Maria
mit dem Kinde, dem kleinen Johannes und vielen Englein in einer Landschaft, im Museum zu Gent
(Nr. 66 unter dem Namen Peter Van Avonts), ein reizendes Stück, das sich an ähnliche Darstellungen
 
Annotationen