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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Glück, Gustav: Aus Rubens' Zeit und Schule: Bemerkungen zu einigen Gemälden der kaiserlichen Galerie in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0033
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Aus Rubens' Zeit und Schule.

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seine künstlerische Persönlichkeit in ein klareres Licht zu stellen und vor allem sein Verhältnis zu Rubens
zu erläutern. Späterer Nachforschung mag es vorbehalten bleiben zu untersuchen, ob nicht unter den
zahlreichen Gemälden, die in öffentlichen und privaten Sammlungen als Werke Rubens' oder seiner
Schule gelten, auch Arbeiten unseres Künstlers verborgen sind.

III. Andreas Benedetti.

Als ein Werk Jan Davidsz De Heems wurde bei der Neuaufstellung der kaiserlichen Gemälde-
galerie im kunsthistorischen Hofmuseum ein großes, prächtiges Stilleben eingereiht, das vorher Jahre
lang im Vorrate des Belvedere verborgen gewesen war (Führer von 1892, Nr. 1047, Führer von 1896
Nr. i388, Taf. III). Auf einem großen Holztische liegt eine grünsammtene Decke mit silbergestickter
Bordüre und silbernen Fransen. Darauf sieht man in malerischer Anordnung eine schiefgestellte Delf-
ter Schüssel mit Trauben, Pfirsichen und F"eigen, dahinter einen großen silbervergoldeten Buckelpokal
mit einem Deckel, dessen Griff einen Vogel vorstellt, ganz im Vordergrunde einen mächtigen Hummer,
rechts an den Bildrand gelehnt eine Laute, neben dem Hummer links einen angeschnittenen Schinken
und daneben auf dem vom Tuche nicht bedeckten Teile des Tisches einen Senftiegel und eine kleine
Zinnschüssel mit drei Stückchen Schinken. Links ist an den Tisch ein Sessel herangeschoben, über
dessen Lehne eine Serviette hängt. Den Hintergrund bilden geraffte Vorhänge und der Ausblick auf
eine dekorativ und breit behandelte Flußlandschaft.

Die Benennung des Bildes als ein Werk Jan De Heems war nicht ohne Grund geschehen; denn
wirklich zeigt es in der ganzen Anlage der Komposition und in der Art der malerischen Anschauung
eine unleugbare Verwandtschaft mit den gesicherten Arbeiten dieses großen Künstlers, von denen
auch die kaiserliche Galerie einige hervorragende Beispiele besitzt. Doch ist bei näherer Betrachtung
die Ähnlichkeit nicht so groß, daß man unser Stilleben Jan De Heem selbst zuschreiben könnte; es
ist für ihn zu wenig weich gemalt und die einzelnen Formen sind zu wenig plastisch durchgebildet.
Diesen Stilunterschied bemerkte der Direktor der kaiserlichen Galerie, Regierungsrat Schäffer, und
teilte unser Bild auf Grund seiner großen Verwandtschaft mit einem Stilleben der Pester Landesgalerie,
das dort als Hauptwerk Abraham Van Beyerens gilt und von dem hier noch die Rede sein wird,
vollkommen folgerichtig diesem holländischen Künstler zu. Doch verfolgt Abraham Van Beyeren in
seinen zahlreichen, durch das Monogramm beglaubigten Werken eine ganz andere Kunstabsicht, die
wir, ohne hier auf die ebenso interessante als verwickelte Frage des Unterschiedes zwischen hollän-
discher und vlämischer Stillebenmalerei näher eingehen zu wollen, als die eigentlich holländische be-
zeichnen müssen. Ihm ist es weniger um das Gegenständliche, weniger um den objektiven Reiz der
Früchte, Gefäße und dergleichen, weniger auch um ihre geschickte Gruppierung zu tun als um ein
rein subjektives, malerisch fein gestimmtes Gesamtbild. In seinen reicheren Stilleben, wie sie z.B. die
Museen von Brüssel, Köln und München (Nr. 629)1 besitzen, stimmt er das Ganze nur auf zwei fein
gewählte Farbentöne, die unserem modernen Geschmacke ganz außerordentlich zusagen, auf ein zartes
Grün und ein blasses Rosa; dabei geht er so weit, manchmal auf die Wahrheit der Lokalfarben zu ver-

schule Annverpens, München 1881, S. 32l), eine große Hirschjagd im Schlosse zu Aschaffenburg, eine heilige Familie mit
dem heil. Johannes in der Blankcnseeischen Sammlung zu Berlin, zwei mythologische Bilder in der Müller von Nordegg'schen
Sammlung in e;n rauchender junger Mann (wohl eine Kopie nach einem holländischen Meister?), ehemals in der

Suermondt'schen Galerie, später bei Knaus in Düsseldorf (die letztgenannten Gemälde nach Partheys Bildersaal erwähnt von
• Yan den Kellen, Journal des Beaux Arts 1873, p. 98). Die beiden Mondscheinlandschaften des Kassler Museums (gegen-
wartig nicht mehr ausgestellt) und die «Nächtliche Feuersbrunst» des Städel'schen Institutes zu Frankfurt rühren nach
K. Woermann (Geschichte der Malerei III, S. +63) von einem holländischen Nachahmer Aert Van der Neers her.

1 Ein zweites Stilleben der Münchener Pinakothek (Nr. 628) kann man trotz seiner großen malerischen Vorzüge nicht
mit Sicherheit Abraham Van Beyeren zuweisen. Malweisc und Komposition sind hier etwas anders als in den beglaubigten
Arbeiten dieses Künstlers und auch die nicht deutlich lesbare Inschrift zeigt andere Züge als seine Bezeichnungen mit vollem
Namen auf Gemälden, wie z. B. dem der Berliner Galerie (Nr. 983 D).

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