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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 25.1905

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I. Theil: Abhandlungen
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Meder, Joseph: Zwei Kartonzeichnungen Giulio Romanos
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https://doi.org/10.11588/diglit.5915#0089
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Josef Meder. Zwei Kartonzeichnungen Giulio Romanos.

geltend, von Schülern hergestellt wurde. Gewissenhafte Meister, selbst wenn sie schon auf der Hohe
standen, zeichneten sich aber in der Regel ihre Kartons selbst und überließen den Gehilfen nur die
mechanische Übertragung der fertigen Zeichnung auf die zu bemalende Fläche. Wir wissen dies von
Lionardo, Michelangelo, Fra Bartolommeo, Raffael und anderen.

Anderseits trägt eine Kartonzeichnung durch das Regelmäßige oder, sagen wir besser, Aka-
demische ihrer Zeichnungsweise einen derartig allgemeinen Charakter an sich, daß wir das Persön-
liche eines Meisters, welches sonst aus seinen Studien und Skizzen zu uns spricht, hier meist vermissen.

Der Kopf des heil. Josef — nicht so jener der Madonna — verrät nichtsdestoweniger Giulios
eigene starke Hand. Die eigentümliche, stets wiederkehrende Schwingung der Linie, welche ein von
ihm im Profil gezeichneter Mund zeigt, die dicke Unterlippe, die Haarlocken, wirr durcheinander und
stark bewegt, die schnurgerade aus der Stirne herauswachsende Nase, die etwas zusammengekniffenen
Augenbrauen, der auffallend kleine Daumen an Josefs Hand, das sind durchwegs Eigentümlichkeiten
Pippis, zumal aus seiner Mantuaner Zeit. Das Derbe, Robuste, bereits stark Manierierte tritt hier ebenso
deutlich hervor wie in seinen gleichzeitigen Freskobildern.

Auch die Madonna, wenngleich zarter und im allgemeinen milder aufgefaßt, zeigt in der Zeich-
nung den Hang zu derben Bildungen, wie z. B. in der Ober- und Unterlippe — ganz im Gegensatze
zu der römischen Periode, wo Raffaels abgeklärte und reine Formen Giulio noch als höchstes Ziel er-
schienen waren.

Es darf nach all dem seine Autorschaft kaum in Zweifel gezogen werden und wir müssen die
beiden Kartonreste als ebenso gut von Giulios Hand herrührend anerkennen wie das Gemälde selbst.
 
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