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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 25.1905

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I. Theil: Abhandlungen
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Dodgson, Campbell: Eine Gruppe von Holzschnittporträten Karls V. um die Zeit der Kaiserwahl
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https://doi.org/10.11588/diglit.5915#0248
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244

Campbell Dodgson. Eine Gruppe von Holzschnittporträten Karls V. um die Zeit der Kaiserwahl.

Künstlers auf dieselbe Weise mit selbsterfundenen, in strengerem Stile gehaltenen Zutaten wiederholt.
Wer das Porträt eigentlich nach dem Leben gezeichnet haben kann, vermag ich nicht einmal zu ver-
muten. Karl V- hat nämlich das ganze Jahr 1518 in Spanien verbracht.

Hat dann Weiditz auch das zweite Porträt auf den Holzstock gezeichnet? Was die neue Anord-
nung der früher auf einem besonderen Stocke angebrachten Embleme betrifft, spricht manches dafür:
das schwarze Ornament in den Ecken, die Guirlande, die bei diesem Künstler so beliebten Rosetten
am Rundbogen, vor allem die ganz in seiner Art gezeichneten Quasten. Die schon vorhandenen Teile
der Umrahmung, soweit sie nicht genau dem ersten Schnitt entsprechen, verraten die Hand eines be-
rufsmäßigen Kopisten, wie sie Jost de Negker in seiner Werkstatt gewiß beschäftigt hat, der sein Vor-
bild mit ängstlicher Peinlichkeit wiederzugeben bestrebt war und dabei einige Feinheiten übersah. Das
erste der beiden berittenen Kinder trägt z. B. im ersten Schnitt eine an einer Schnur hängende Medaille;
im zweiten Schnitt ist die Schnur verschwunden, während die Medaille ganz unmotiviert vor der Brust
schwebt. Die Köpfe der beiden Kinder sowie besonders die linke Seite des Fackelträgers sind weniger
gut geschnitten. In der Hauptsache aber, in der Zeichnung der Gesichtszüge und des Halses des jungen
Kaisers, ist, wie schon hervorgehoben wurde, eine entschiedene Verbesserung bemerkbar. Das Porträt
ist in der Tat so vorzüglich geworden, daß man seine Ausführung kaum mehr Weiditz zutrauen möchte.
Hat ihm dabei nicht ein größerer Künstler geholfen? Die durch manche Hinweise angedeuteten Be-
ziehungen zwischen Burgkmair und Weiditz machen es sehr wahrscheinlich, daß dieser bis gegen 1519
nicht selbständig sondern als Gehilfe im Atelier Burgkmairs tätig war. 1 Wie also Weiditz in einigen
Fällen nachweisbar eine Burgkmairsche Zeichnung mit oder ohne selbsterfundene ornamentale Zu-
taten auf den Holzstock übertrug,2 mag auch der Meister selbst sehr wohl einmal auf einen im übrigen
von seinem Gehilfen ausgeführten Holzstock die nach Verlauf eines Jahres der Korrigierung bedürf-
tigen Gesichtszüge umgezeichnet haben.

Ich komme also zum Schlüsse, daß Nr. 1 (Taf. XXXVIII) ganz von Weiditz, Nr. 2 (Taf. XL) im
dekorativen Teile auch von Weiditz, wahrscheinlich unter Beistand Burgkmairs in der Ausführung des
eigentlichen Porträts, gezeichnet wurde. Die viel geringere Nr. 3 (Taf. XLI) darf nur als die Arbeit
eines untergeordneten Kopisten betrachtet werden; die Kopie erschien noch im Jahre 1519 wahrschein-
lich in Nürnberg. Was schließlich die Autorschaft von Nr. 4 betrifft, schließe ich mich trotz meiner
früher ausgesprochenen Zweifel3 der Meinung jener Forscher an, die den Holzschnitt Hans WTeiditz
zuschreiben.4 Die Zeichnung des Gesichtes, der Haare und des Kostüms auf dem im Jahre 1522 erschie-
nenen Titelblatte paßt sehr gut zum Stile Weiditz' in seinem eben um diese Zeit vollbrachten Übergange
zur späteren Straßburger Periode. Daß der Holzschnitt in Nürnberg erschien, darf nicht zu sehr be-
fremden, da die Tätigkeit der Grimmschen Offizin durch finanzielle Verlegenheiten schon sehr in Verfall
geraten war, während es schon vordem nicht beispiellos war, daß andere, auch fremde Drucker Illu-
strationen von Weiditz publizierten. Bogen und Pfeile, wenn auch von Nr. 2 entlehnt, sind doch frei
und geschickt, ganz in der Art Weiditz' umgezeichnet. Merkwürdig ist es freilich, daß er zur älteren
Form des Baretts zurückgreift; diese Änderung ist doch wohl leichter erklärlich, wenn meine Ver-
mutung, daß Burgkmair, nicht Weiditz selbst, die Ergänzung des Umrisses vornahm, die richtige ist.
Die einfachere Modellierung des Gesichtes würde dann nicht nur derselbe Umstand sondern auch das
kleine Format des Blattes erklären.

1 Vgl. Dörnhöffer, Kunstgeschichtliche Anzeigen, Wien 1904, S. 64, und Dodgson, Mitteilungen der Gesellschaft für
vervielfältigende Kunst, 1905, S. 65.

2 Burgkmair, B. 12 (= B. 10), wahrscheinlich auch B. 74, und Hirth, Kulturgeschichtliches Bilderbuch II, 649.

3 A. a. O., S. 66.

4 Dörnhöffer, a. a. O., S. 65, Anm. 2; Jaro Springer, briefliche Mitteilung vom 25. Februar 1905.
 
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