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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 26.1906/​1907

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I. Theil: Abhandlungen
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Kallab, Wolfgang: Caravaggio
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https://doi.org/10.11588/diglit.5946#0282
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C AR AVAGGIO.

Von

Wolfgang Kailab.

er Maler Michelangelo Amerighi oder Merisi aus Caravaggio zählt keineswegs zu
den unbekannten Größen der Kunstgeschichte. Wer die vatikanische Galerie oder
denLouvre gesehen hat, erinnert sich des großen Eindrucks, den seine Grablegung
und das mächtige Bildnis des Maltesers machen. Wiener Galerien beherbergen
zwei seiner schönsten Werke: das Rosenkranzbild im kunsthistorischen Hofmu-
seum und die Lautenspielerin beim Fürsten Liechtenstein. Auch seine Stellung
in der Geschichte ist der geläufigen Uberlieferung nach scharf umrissen: er gilt
als der erste, der den Naturalismus, die rücksichtslose Nachahmung der gemeinen Natur, zur Richt-
schnur seines Schaffens gemacht hat, und als der Erfinder der Modellierung mit starken Schlagschatten
ohne vermittelnde Halbtöne, wie sie sich an Körpern in dunklen Räumen bei hoch und grell einfallen-
dem Seitenlichte ergibt. Daß er einer der einflußreichsten Künstler des XVI. Jahrhunderts war, konnte
auch von klassizistisch gestimmten Beurteilern nicht in Abrede gestellt werden; die Wirkung, die seine
Arbeiten ausgeübt haben, ist weder zeitlich noch lokal begrenzt; abgesehen von einer Unzahl von
Nachahmern aller Nationen, haben sich Künstler wie Rubens und Guido Reni an ihm gebildet; Rem-
brandt steht mittelbar unter seiner Einwirkung, deren Spuren bis in die moderne französische Malerei
zu verfolgen sind. Trotzdem entspricht die Kenntnis von dem Werdegange und der Tätigkeit dieses
Malers weder der Achtung, die man ihm zollt, noch der Bedeutung, die man ihm zuschreibt. Wie ein
Meteor taucht er plötzlich auf, schafft sich scheinbar ohne Vorgänger und ohne Lehrer eine völlig
neue Ausdrucksweise, für deren Erklärung man bisher nichts beizubringen vermocht hat als den Hin-
weis auf seine gewaltsame und eigenwillige Persönlichkeit. Diese Vorstellung beruht aber, was das
Leben und Wesen des Malers betrifft, fast ganz auf trüben Quellen, auf Berichten von Schriftstellern,
die die Legende, die sich über ihn gebildet hatte, kritiklos aufnahmen. Von den vier- oder fünfhundert
Werken, die man ihm zuschreibt, gehört ihm kaum ein Zehntel an; denn jedes starkschattige Bild von
gemeiner und krasser Auffassung, für das man keinen anderen Namen wußte, ist seinem Oeuvre ein-
 
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