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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 27.1907-1909

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I. Theil: Abhandlungen
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Röttinger, Heinrich: Hans Wechtlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.5947#0008
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Heinrich Röttinger.

an einen Künstler heute noch begreifen kann, obschon der sagenhafte Johann Ulrich Pilgrim als
Schöpfer der Helldunkelblätter längst aufgegeben ist. Die Schwarzweißblätter sind mit Ausnahme der
Umrahmung Pass. 61, die mit Io und den gekreuzten Stäben bezeichnet ist, unsigniert. Da sie zumeist
als Illustrationen für Druckwerke dienten, sind sie durch das Erscheinungsjahr dieser wenigstens ein-
seitig datierbar. Darnach waren die meisten der Bilder zum Leben Jesu (Fig. n und 21) — sie machen
den Hauptteil der künstlerisch beachtenswerten Schwarzweißblätter aus — 1508 bereits fertiggestellt,
in welchem Jahre siebenunddreißig von ihnen in dem von Johann Knoblouch in Straßburg gedruckten
Leben Jesu Christi des Benedictus Chelidonius zum Abdruck gelangten. Auf dem Titel der undatier-
ten lateinischen Ausgabe ist Johannes Vuechtelin als Urheber der Schnitte ausdrücklich genannt. Die
Helldunkelblätter sind zumeist und zwar mit den Buchstaben Io V und den gekreuzten, mit der Blume
Männertreu verbundenen Pilgerstäben bezeichnet,1 nie aber datiert.

In allen diesen Blättern erweist sich Wechtlin als eine kraftvolle Natur, der es zuerst um er-
schöpfende Charakteristik, der zuliebe er auch vor Karikierungen nicht zurückschreckt, und erst dann
um gefällige Gestaltung zu tun ist. Dürers Einfluß ist in Formensprache und Komposition deutlich,
daneben machen sich starke Anklänge an Schongauer bemerkbar. Was die Helldunkelschnitte von den
Schwarzweißblättern so scharf unterscheidet, ist außer der Technik allein das.verschiedene Maß der
auf die Zeichnung verwendeten Sorgfalt. Eine Entwicklung der Kunst Wechtlins ist den Blättern,
welche Bartsch und Passavant verzeichnen, nicht abzulesen, er steht als Fertiger vor uns. Wo liegen
seine Anfänge? Die Arbeiten, die unter seinem Namen erhalten sind, sind aber auch zu wenige, als daß
sie sein Lebenswerk ausmachen könnten. Ist uns alles andere verloren gegangen?

Zunächst fällt auf, wie wenig Zeichnungen bisher die Zuweisung an einen Künstler erfahren
haben, der doch Zeitgenosse Dürers war und dessen mindestens über zwanzig Jahre sich erstreckende

Holzschnitlfaksimile Loedels nach der Zeichnung in Braunschweig, 59 fremd, 60 (Nagler IV, S. 75, Nr. 15; Abb. Butsch,
Bücherornamentik 1, 70) und 62 (Nagler, Nr. 16; Abb. Butsch I, 67) sind sichere Werke Hans Baidungs. Diesem Meister gehört
auch die Umrahmung Nagler Nr. 12 sowie die von F. Ritter in seinem Illustrierten Katalog der Ornamentstichsammlung
des k. k. österr. Museums für Kunst und Industrie, Wien 1889, S. 92, als unbeschrieben aufgeführte Umrahmung Nr. 2726 (Abb.
Butsch I, 68). Das Signet IX 4 (1505) in Heitz' Elsässischen Büchermarken, welches dort nach Nagler III, 1021, Nr. 2681,
Wechtlin zugeschrieben wird, ist fremden Ursprungs, die ebenfalls Wechtlin benannte Titelumrahmung XV 2 (1511) eine
Arbeit Baidungs. Richtig ist die Umrahmung LXIII I (1514) als Wechtlin erkannt. Ihm gehören auch die Schnitte XIV I
(1514) und V 10 (1526). Die von mir in den Mitteilungen des österr. Vereines für Bibliothekswesen, X, 135, Wechtlin zu-
gesprochene Umrahmung 41 in Götzes hochdeutschen Druckern der Reformationszeit, Straßburg 1905, ist von Baidung
(= Heitz XV 2), die als Kopie nach Wechtlin bezeichnete 157 ein Original des Künstlers. — Neu weise ich dem Wechtlin
Bartsch' und Passavants zu: I. Die Verkündigung Maria, 193 X 166 (Fig. i). Im Besitze der Albertina, altkoloriert. Wasser-
zeichen: Ochsenkopf mit Kreuz und Schlange. Links und unten werden zwei andere, mit den beireffenden Teilen der Um-
fassungslinie parallele Linien sichtbar, welche durch die anschließenden Schraffenreste als Einfassungslinien zweier anstoßender,
mit der Verkündigung von einem Holzstocke gedruckter Darstellungen erkenntlich sind. Einer ornamentalen Umrahmung ge-
hören diese Reste nicht an. Das unzerschnittene Blatt umfaßte also mindestens vier Darstellungen. — 2. Die heil. Anna
selbdritt auf einer Rasenbank; Maria reicht ihr das Kind. Hinter einer Brüstung stehen die Heiligen Josef und Joachim,
oben erscheint Gottvater mit der Taube. In den oberen Ecken Astwerk mit je einem Putto. Unten ein Band mit geschnit-
tenem lateinischen Text in zwei Zeilen. 207 X HO. München, Kupferstichkabinett. Mit Schablonen koloriertes Exemplar. —
3. Crucifixus mit Maria und Johannes. 208 X J49- Ausschnitt mit bedruckter Rückseite. Im Besitze der Wiener Hof bibliothek
(Religiöse Schnitte des XV. und XVI. Jahrhunderts, Fol. 28). Die Darstellung ist an den Seiten und oben von einem dünnen
Baumstamme eingefaßt. Am Kopfe des Johannes wird Baidungs Einfluß merkbar. — 4. Der S. 23 des IX. Bandes der Mono-
graphien zur deutschen Kulturgeschichte abgebildete, mit Dürers «Freuden der Welt» inhaltsgleiche Schnitt des Kupferstich-
kabinettes in Gotha. — 5. Einige mit wechselndem Lineament stets wiederholte Hände und gegen zwanzig schlechte physio-
gnomische Köpfe zu Johannes Indagine, Introductiones apotelesmaticae elegantes in Chyromantiam, Physiognomiam . . . Argento-
rati, Jo. Schott, 1522, fo. (Kristeller 459). Das Porträt und das Wappen des Verfassers sind von Baidung (Eisenmann 154
und 155), die Planeten und das Paar fol. 34 fremd. — 6. Das neue Titelblatt der 1526 erschienenen Quartausgabe des Feldt-
buchs der Wundartzney des Hans von Gerssdorff (Kristeller 467), einen Feldscherer bei der Arbeit darstellend. Mit rotem
Überdruck, 153 X 115. Ein späteres Werk des Künstlers ist mir nicht zu Gesicht gekommen. — Dodgsons Liebenswürdigkeit
verdanke ich einen nachträglich eingelaufenen Beitrag zum Werke Wechtlins in dem Hinweise auf einen offenbar sehr sel-
tenen Schnitt des British Museums. Er stellt die heil. Anna dar, auf deren Schoß das Jesukind steht, das die rechts kniende
Madonna anbetet. Den Thron der heil. Anna zieren vier Säulen, deren jede einen musizierenden Engel trägt. Ca. 421 X 323.
An der Base der ersten Säule links lehnt als Zeichen des Künstlers ein Pilgerstab.

1 Die Bedeutung dieser Vereinigung ist nicht klar. Auch Dürers «Kleines Glück» führt Pilgerstab und Männertreu.
 
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