Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 27.1907-1909

DOI Heft:
II. Theil: Quellen zur Geschichte der kaiserlichen Haussammlungen und der Kunstbestrebungen des Allerdurchlauchtigsten Erzhauses
DOI Artikel:
Dörnhöffer, Friedrich: Albrecht Dürers Fechtbuch
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5947#0307
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
II

Friedrich Dörnhöffer.

dem Charakter der Handschrift nicht entgehen. So äußerte sich Hoffmann von Fallersleben, der sich
damals mit unter den Zuhörern in Breslau befunden hatte, später einmal brieflich, er habe sich bei
den Mitteilungen des «guten» Büsching nicht des Lachens enthalten können.1 Handelte es sich hier in
der Tat nur um die bereits gekennzeichnete Kopie des XVII. Jahrhunderts, so war doch in dieser scharfen
Beurteilung, die das Kind mit dem Bade ausschüttete, der wahre Zusammenhang mit Dürer nicht er-
raten. Von der kunsthistorischen und literarischen Fachkritik auch in der Folge keines ernsten Inter-
esses gewürdigt, blieb der Handschrift wenigstens die Aufmerksamkeit der Turner- und Fechterkreise
erhalten, aus denen schließlich in den Jahren 1870 und 1871 zwei den Namen Dürers auf dem Titel
tragende Veröffentlichungen hervorgingen, veranlaßt von dem um die historische Erforschung der
Turn- und Fechtkunst hochverdienten Heidelberger akademischen Turnlehrer Dr. Karl Wassmanns-
dorf.2 Da hierbei die Kopien der Handschrift noch einmal, und zwar aus freier Hand und in starker
Verkleinerung kopiert erschienen, so daß ihr ursprüngliches Wesen in der Tat kaum mehr durchschim-
merte, und da ferner die in der Handschrift mitaufgenommenen alten Holzschnitte, die gar nichts mit
Dürer zu tun hatten, gleichfalls unter seinem Namen dargeboten wurden, so ist es wohl verständlich,
daß die wissenschaftliche Dürerforschung diese Publikationen lächelnd beiseite schob.

Unterdessen war, wohl kurz vor 1823, einem Professor der Wiener Universität, dem Theologen Vin-
zenz Weintritt, bei einem Besuch in Steiermark ein anderes handschriftliches Fechtbuch, das ebenfalls den
Namen Dürers trug, bekannt geworden und es gelang ihm, es zu erwerben. Weintritt, eine Persönlich-
keit von geistiger und künstlerischer Kultur, den Kreisen Schwinds, Schuberts, Bauernfelds, Rauschers
nahestehend, war schon früher wegen der Art seiner Lehrtätigkeit in Schwierigkeiten mit seiner Ober-
behörde geraten, die den Verlust seiner Professur und — im Jahre 1824 — seine Versetzung als
Dechant nach Retz zur Folge hatten. Von dort aus bot er im Jahre i833 sein Fechtbuch dem Kaiser
Franz zum Geschenke an, der es gnädigst entgegennahm, um es seiner Privatbibliothek 3 zu überweisen.
Den Antrag des Bibliotheksvorstandes und kaiserlichen Privatsekretärs W. v. Kloiber, dem Spender
dafür ein Gnadengeschenk von 150 — 200 fl. zu bewilligen, änderte der Kaiser, wohl auf eine amtliche
Äußerung des Grafen Moritz von Dietrichstein, dahin um, daß er die Summe auf 100 Dukaten er-
höhte. Auf wessen Urteil sich das amtliche Gutachten in letzter Linie gestützt hat, läßt sich aus den
Akten der k. und k. Familien-Fideikommißbibliothek und der kaiserlichen Kabinettskanzlei nicht mehr
feststellen. Wie richtig man aber in Wiener Fachkreisen über die Bedeutung der Handschrift damals
dachte, geht zur Genüge aus einer kurzen, aber sehr sachgemäßen und verständnisvollen beschreibenden
Anzeige eines anonymen Verfassers hervor, die schon unmittelbar nach der Auffindung des Manuskriptes
in den «Wiener Jahrbüchern der Literatur» 4 erschienen war. Das Werk wird hier als Dürers Arbeit
angesprochen, und zwar wesentlich aus stilkritischen Erwägungen. Wenn freilich eine kleine, dem
neugebundenen Werke am Schlüsse beigefügte monogrammierte Federzeichnung eines Totenkopfes als
Beweis für die Kennerschaft jener Männer, die dem Werke die neue Gestalt und seinen Titel gaben,
herangezogen und mit dem Beiworte «unvergleichlich» belegt wird, so ist dem Blättchen wohl eine
unverdiente Ehre gegeben: weder das Monogramm noch die Zeichnung sind von Dürers Hand. An
das Unerklärliche aber grenzt es, daß dieser erste, wenn auch anonyme, so doch durch eine ange-
sehene Zeitschrift verbreitete Ruf nicht andere berufene Beurteiler heranlockte, sondern so gut wie un-
gehört verhallte. Und das zu einer Zeit, wo unter dem Einflüsse der Romantik die Begeisterung für

1 Brief, datiert 7. Okt. 1833, im Besitze der k. und k. Familien-Fideikommißbibliothek.

2 Die Ringkunst des deutschen Mittelalters mit 119 Ringerpaaren von Albrecht Dürer, aus den deutschen Fechthand-
schriften zum ersten Male herausgegeben von Karl Wassmannsdorf, Leipzig 1870.

Das um das Jahr 1500 gedruckte erste deutsche Turnbuch, neu herausgegeben von Karl Wassmannsdorf, mit Zu-
sätzen aus deutschen Fechthandschriften und 17 Zeichnungen von Albrecht Dürer, Heidelberg 1871.

3 Jetzt k. und k. Familien-Fideikommißbibliothek.

4 Jahrbücher der Literatur, 25. Bd. (1823), Beiblatt (Anzeigeblatt für Wissenschaft und Kunst), S. 42. — Alois Trost
macht mich darauf aufmerksam, daß der demselben Schwind-Schubertschen Kreise angehörige Karl Pinterics, Privatsekretär
des Grafen Palffy, ein Mann von reichen Kenntnissen und vielseitiger Bildung, als ein besonderer Freund und Kenner alt-
deutscher Kunst galt. Es dürfte also nicht ausgeschlossen sein, daß die Anzeige von ihm herrührt.
 
Annotationen