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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 28.1909-1910

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II. Theil: Quellen zur Geschichte der kaiserlichen Haussammlungen und der Kunstbestrebungen des Allerdurchlauchtigsten Erzhauses
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Menčík, Ferdinand: Die Wegführung der Handschriften aus der Hofbibliothek durch die Franzosen im Jahre 1809
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https://doi.org/10.11588/diglit.5949#0330
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DIE WEGFÜHRUNG DER HANDSCHRIFTEN AUS DER HOFBIBLIOTHEK
DURCH DIE FRANZOSEN IM JAHRE 1809

VON

FERD. MENÖIK.

Kriegszeiten war es früher Sitte, daß man
Bewohner eines eroberten Landes in die Gefangenschaft
schleppte, um sie später gegen ein hohes Lösegeld
wieder freizulassen. Die Sieger der Neuheit haben ihr
Augenmerk auf die geistigen Produkte des Menschen
gerichtet, die von nun an als Siegestrophäen ihre Paläste
füllen und hier zum Nutzen der Menschheit aufbewahrt
werden.

In Wien war es bekannt, daß Napoleon aus den
besiegten Ländern Kunstobjekte aller Art wegzuschaffen
pflege, und man war immer vorsichtig, so oft Osterreich
in feindliche Stellung gegenüber Frankreich geriet. Als
die österreichischen Länder im Jahre i8o5 zum Kriegs-
schauplatz werden sollten und die feindlichen Heere
sich der Residenzstadt näherten, ordnete das Oberst-
hofmeisteramt an, daß man die in den kaiserlichen
Sammlungen aufbewahrten Kostbarkeiten in Sicherheit
bringe. In der Hof bibliothek, wo sich großartige Kunst-
schätze befanden, auf die seit undenklichen Zeiten ganz
Europa seine Blicke richtete, war man bereits seit
Anfang des Monats Oktober daran, die wertvollsten
Handschriften und Bücher in Kisten einzupacken, die
dann an einen nur wenigen Eingeweihten bekannten
Ort in Ungarn gebracht wurden. Glücklicherweise
verlief damals der Krieg ohne jeglichen Schaden für
die Anstalt und die Gegenstände kamen nach dem
Friedensschluß in Preßburg(i8o5) wieder an ihren Platz-

Nicht so glatt ging es ab im Jahre 180g, in dem
die Residenzstadt vom Mai bis zum Spätherbst sich in
der Gewalt des Kaisers der Franzosen befand. Schon
am 21. Februar hatte die Oberbehörde den Auftrag
Zum Einpacken der verschiedenen Kunstobjekte und zu
deren Transportierung nach Peterwardein gegeben.
Aber die Ausführung der nötigen Vorsichtsmaßregeln
wurde leider zu sPat in Angriff genommen, so daß dann
die Zeit zum Transport aller Kostbarkeiten nicht mehr
Zureichte. An den Präfekten der Hofbibliothek, Grafen
Fr. Ossolinski, ist erst am 28. März ^er Befehl er-
gangen,1 die wertvollen Bücher und Handschriften
behutsam in Kisten zu verpacken, die nach Ungarn
weggeschickt werden sollten, damit sie nicht in die

Hände der Feinde gerieten. Es handelte sich damals
in der Eile natürlich nur mehr darum, die wertvollsten
Objekte auszusuchen; denn infolge des raschen Vor-
drängens der französischen Armee mangelte es schon
an Zeit, alle Schätze gleicherweise in Sicherheit zu
bringen.

Ohne jedes Aufsehen bestellte Graf Ossolinski
Kisten, die im Innern mit Zinkblech beschlagen waren,
und der Buchbinder Doli verpackte behutsam die aus-
gesuchten Gegenstände, ohne daß jemand aujierhalb der
Bibliothek eine Ahnung von diesen Vorsichtsmaßregeln
gehabt hätte. Jeder Kustos der Hofbibliothek wählte
jene Stücke aus, die man allgemein für die kostbarsten
hielt, und das Ausgesuchte wurde unter Aufsicht des
Skriptors Petrossi in die Kisten gelegt. Mit dieser
Arbeit war man bereits gegen Ende April fertig und als
dann das Obersthofmeisteramt am 26. April angefragt
hatte, ob die Kisten schon eingepackt seien, legte Graf
Ossolinski das Verzeichnis der in elf Kisten vorsichtig
vor der Nässe geschützten Objekte vor.1

Die Liste der pm Transport bestimmten Gegen-
stände enthielt folgende Kunstobjekte :

1. Senatus consultum Romanum in tabula aenea.
Diese Tafel wurde im Jahre 1640 in Terra di Teriolo
gefunden und kam im Jahre IJ2J in die Hofbibliothek.
Von dieser wurde sie im Jahre 1846 an das kaiserliche
Münzen- und Antikenkabinett abgegeben. Vgl. Sacken-
Kenner, Die Sammlungen des Münzen- und Antiken-
kabinetts I, S. igo~;

2. Die Handschrift Theo!, gr. ßi. Genesis. Grie-
chische Purpurpergamenthandschrift aus dem IV. oder
V. Jahrhundert, geschrieben mit Gold in Unzialschrift,
mit Abbildungen. Vgl. Jahrbuch der kunsthist. Samm-
lungen des Allerh. Kaiserhauses, Band XVI.

g. Handschrift 324. Tabula Peutingeriana. Kodex
aus dem XIII. Jahrhundert auf Pergament, mit der
Straßen- und Lagerkarte des römischen Reiches des
IV. Jahrhunderts.

4. Med.gr. 1. Dioscorides. Beschreibung von offi-
zineilen Pflanzen in griechischer Sprache. Pergament-
handschrift des VI. Jahrhunderts mit 7 Vollbildern

1 Original vom 2S. Mär\ in den Akten der k. k. Hof bibliothek.

1 Bericht vom 5. Mai in den Akten der k. k. Hofbibliothek.
 
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