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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Giehlow, Karl; Weixlgärtner, Arpad: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance: besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I. Ein Versuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0086

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8o

Karl Giehlow.

Da Poliziano in seinen gedruckt erhaltenen Werken nur vereinzelt einige antike Symbole be-
spricht, besondere Abhandlungen über Hieroglyphen aber nicht gibt, wird wohl Valeriano solche in
dem nicht zur Veröffentlichung gelangten literarischen Nachlass gefunden haben. Dies lassen die
Briefe vermuthen, die Crinitus dem Alexander Sartius über die hinterlassene Schriftenmasse schreibt.1
Danach soll Poliziano in einer Fortsetzung seiner 1489 zu Florenz erschienenen Miscellaneen, in
denen er nach Art der c-^.a-a des Clemens Alexandrinus textkritische, mythologische, antiquarische
und numismatische Fragen bunt aneinanderknüpft, auch einen Excurs über Osiris geliefert haben. Da
aus Grüssen, die Crinitus dem Sartius an Aldus aufträgt, zu entnehmen ist, dass dieser Verleger nach
dem Tode Polizians eine umfangreichere Ausgabe seiner Werke geplant hat, als es thatsächlich durch
ihren 1498 abgeschlossenen Druck geschehen ist, und offenbar für diesen Zweck Crinitus auf die Bitte,
alles, was an Polizians Büchern in der mediceischen Bibliothek sich vorfände, nach Venedig zu
schicken, auch einige Handschriften abgesandt hat, mag vielleicht hieraus schon Valeriano, der mit
Aldus durch seinen Onkel Fra Urbano in nahe Berührung kam,2 seine Kenntnis von den hieroglyphi-
schen Studien Polizians geschöpft haben. Doch sollte später das Geschick Valeriano selbst voll-
kommene Freiheit in der Benützung der seit 1508 nach Rom geschafften, 1527 wieder in Florenz end-
giltig aufgestellten Bibliothek der Medici gewähren, so dass er da den vollständigen Einblick in die
literarische Hinterlassenschaft Polizians gewinnen konnte.

Es ist daher eine Quelle verloren gegangen oder zumindest verschollen, welche die interessantesten
Aufschlüsse über die Behandlung der Hieroglyphenkunde im Kreise der platonischen Akademie ge-
währen könnte. So lässt sich nur aus einigen Schlüssen mittelbar ein Bild von der Auffassung Poli-
zians gewinnen. Einen Anhaltspunkt gewährt zunächst sein Verhältnis zu Alberti. Denn Poliziano
ist es, der voll Staunen vor der Universalität dieses Künstlergelehrten das Vorwort zu dem 1485 er-
folgten Druck der res aedificatoria geschrieben hat.3 Auch hier möchte man vermuthen, dass vor der
Leetüre dieses Tractates persönliche Eindrücke Poliziano bereits dazu gebracht haben, im Geiste Al-
bertis die hieroglyphischen Studien zu betreiben.

Einen weiteren Rückschluss auf den Umfang der hieroglyphischen Kenntnisse des Florentiners
bietet seine Untersuchung über den Harpokrates in den Miscellaneen. Dort erwähnt er, dass er schon
Anfang der Achtzigerjahre Vorträge über diesen Sohn der Isis und des Osiris zu Venedig und Verona
gehalten habe und zwar auf Grund von Plutarchs Tractat de Iside et Osiride.4 Damit hatte sich aller-
dings Poliziano eine Quellenschrift allerersten Ranges über das alte Aegypten und seine Hieroglyphen
erschlossen, die bis dahin wenig Beachtung gefunden hatte, obwohl sie bereits Ciriaco als Theil der
sogenannten Moralia des Plutarch5 von der Insel Thasos nach Italien gebracht hatte. Polizians
Colloquium in Venedig scheint also ein Ereignis gewesen zu sein, da sehr wahrscheinlich darauf hin
Ermolao Barbaro d. J. veranlasst wurde, diesen Tractat in das Lateinische zu übersetzen. Jedoch
kam es nicht zu einer Veröffentlichung, wie überhaupt der Druck des griechischen Textes erst dem
Beginn des XVI. Jahrhundert vorbehalten sein sollte. Im Schoosse der mediceischen Akademie werden
freilich Plutarchs Angaben über die ägyptischen Mythen, Symbole, Allegorien und Hieroglyphen
ein wissenschaftliches Gemeingut gebildet haben, sodass das Verdienst Polizianos wohl weniger in
der Entdeckung als in den Hinweisen auf die Ergiebigkeit dieser Quelle für das ägyptische Alter-
thum bestehen wird. Besonders in Venedig scheinen seine Vorträge unvergessen geblieben zu sein

1 Vgl. die beiden Briefe des Petrus Crinitus an Alexander Sartius in Angeli Politiani Opera, »quae quidem extitere
hactenus, omnia« etc. Basileae 1553: Epistolarum liber XII, p. i8off.

2 Ticozzi (Stefano), Storia dei letterati c dcgli artisti del dipartimento della Piave, Tomo I (Belluno 1813): Vita di
Pierio Valeriano Bolzanio, p. 85 ff.

3 In der Baseler Polizian-Ausgabe, p. 142 abgedruckt.

4 Politianus, a. a. O., p. 296: »Nos tarnen et Venetiis ac item Veronae . . . abhinc annos octo ferme de eo (Harpo-
crate) aliquod publice responsitavimus . . . Plutarchus igitur in libro, quem de Iside fuit et de Osiride, Harpocratem scribit
ex Iside ipsa natum et Osiride«. Uebcr die geringe Verbreitung dieser Schrift des Plutarch vgl. auch unten Anhang II.

5 Uebcr die Moralia vgl. Voigt, a. a. O., Bd. I, S. 279. Die damalige Reise Giriacos durch den griechischen Archipel
fallt in die Jahre 1443—1447.
 
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