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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Giehlow, Karl; Weixlgärtner, Arpad: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance: besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I. Ein Versuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0088

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Karl Giehlow.

glyphischen Schreibens ganz ausserordentlich unterstützen. Darnach befand sich im saitischen Athene-
tempel ein Kind, ein Greis, ein Sperber, ein Fisch und über allen ein Nilpferd abgebildet, wodurch
die Kindheit, das Alter, die Gottheit, der Hass und die Schamlosigkeit versinnlicht wurden. Da der an
dieser Stelle verstümmelte Text des Plutarch noch gerade den Anfang des aus diesen Sinnbildern ge-
bildeten Satzes: »w Ysväjxevot xoct äxc-fsvojj.cvoi« enthält, so erprobte sich hiermit auf das Schlagendste die
hieroglyphische Schreibweise der Humanisten, Wort für Wort die Sätze in Sinnbilder zu verwandeln.
Wohl jeder, der diese Anfangsworte las, wird sich bemüht haben, auch die übrigen Bilder dieser
Räthselschrift zu deuten. Calcagnini stellte später folgenden Satz zusammen: »o senes pariter et ju-
venes, deum odisse summa impudentia est«; Valeriano deutete freier: »nascimur, senescimus, vivimus,
morimur naturae dissidio«;1 auch Poliziano wird sich daran versucht haben.

Vielleicht beruht Valerianos Lösung auf einer florentinischen Conjectur; jedenfalls kannte er nicht
eine von den Griechen selbst im Alterthum colportirte Interpretation, die Clemens Alexandrinus in
den Stromata von einer analogen, zu Diospolis befindlichen Sinnbilderreihe gibt, wonach sich der
Text des Tractates derart ergänzt: »w Yev6|jisvoi *«' &JTOYev6jjievoi ösbc, puasT äva!8etocv«. Da Polizian dieses
Werk des Kirchenvaters eingestandenermassen excerpirt hatte und doch der darüber allem Anscheine
nach gut unterrichtete Valeriano eine von den Stromata abweichende Deutung gibt, möchte man
daraus schliessen, dass auch dem Ersteren diese Erklärung des Clemens entgangen ist, wie es denn im
Verfolg vorliegender Arbeit nicht gelang, in der humanistischen Literatur eine Kenntnis der anderweit
in den Stromata enthaltenen, durch die moderne Forschung bestätigten Nachrichten über die ver-
schiedenen hieroglyphischen Systeme nachzuweisen.2

In der festen Meinung, dass die Hieroglyphen zu Sais ihm allein sich geoffenbart hätten, scheint
nicht einer von diesen Humanisten darauf gekommen zu sein, dass ein solches Schreibsystem wegen seiner
Vieldeutigkeit praktisch unbrauchbar ist; und wenn ein Bedenken auftauchte, wurde es bald von der
Bewunderung vor einem solchen ägyptischen Orakel erstickt. So galt denn auch das zu Hermopolis
gezeigte Bild des Nilpferdes, auf dem ein Sperber mit einer Schlange kämpfte, als eine weitere Schrift-
probe der Hieroglyphen. Denn auch hier fand nach Plutarch ein Ersatz des Wortes durch das Bild
statt, da das Nilpferd den Typhon, der Sperber die Macht und Gewalt ausdrücken sollte, welche die
Angriffe des Ersteren bezwänge.3 Da Plutarch bei der saitischen Inschrift bemerkt, dass sie sich mit
jenem Dogma des Pythagoras berühre, wornach das Meer eine Thräne des Saturn bedeute, so war da-
mit für die Humanisten ein weiterer Hinweis gegeben, in welcher Weise die Bilder für Sprüche in der
Art des Pythagoras zu wählen wären.

quod incorrupta quodque inexorabilia judicia esse debeat. Qui vero disciplinae militari navabant operam, pro sigillo in
annulo scarabaeum scalpebant. Ex scarabeis enim nullus foemina, mares omnes semenque suum in pilae formam glomerantes
generationi parant. Quotiens itaque audimus haec Aegyptios fabulantes de dis, de eorum genitura et forma et eventibus, nihil
ea prorsus debcmus existimare, sed mysterium aliquod delitescere in eis conjiciendum est.« Ueber die weiteren Sinnbilder
vgl. die abgekürzten Citate Calcagninis unten im Anhang II. Nicht aufgenommen hat Calcagnini in dem letzteren Auszuge
die mustela als Hieroglyphe für »sermo«.

1 Calcagnini, a. a. O., p. 237: »Immo vero odium ipsum pisce exprimunt, cui rei testimonium dare potest Minervae
propylaeum his notis in Sai descriptum. Primo loco paedogeron, id est puer, senex, post hunc accipiter, subinde piscis
superque omnia equus fluvialis visebatur. Significant autem haec omnia symbolica, puer quidem senex recenter natos et
defectos, accipiter deum, piscis odium, equus fluvialis impudentiam, quod parentem occidens matri permisceatur. Quasi vero
tu ita dixeris«: dann der Text oben; »nec illud sane multum a Pythagorico dogmate dissidet, qui mare Saturni lachrymam
vocant«. — Ueber die Deutung des Pierius Valerianus vgl. seine Hieroglyphica, p. 219v.

2 Die Stelle des Clemens, Stromata V, 7, p. 670 ed. Potter — anstatt des Nilpferdes war in Diospolis ein Krokodil
abgebildet — ist als Ergänzung der Lücke im Plutarch von Parthey, a. a. 0., p. 55, abgedruckt. Ueber die handschriftliche
Verbreitung des Clemens vgl. Clementis Alexandrini Opera ex recensione Gulielmi Dindorfii 1869. Die Stromata sind nur
in der Florentiner Handschrift überliefert; die sonst vorhandenen Manuscripte bilden daraus Excerpte, die aber theilweise die
über die Hieroglyphen wichtigen Stellen enthalten. Ihre geringe Verwerthung erklärt sich aus ihrer erst 1550 erfolgten Druck-
legung und der noch ein Jahr späteren lateinischen Uebersetzung; vgl. oben, S. 10, Anmerkung 4 über die hieroglyphischen
Nachrichten des Clemens.

3 Vgl. Calcagnini, a. a. O., p. 242: »Sed enim in Hermopoli Typhonis imaginem exprimentes, hippopotamum effingunt,
cui accipiter insidet cum serpente depugnans. Et hippopotamus quidem typhonem indicat, accipiter vero vim et potentiam
illam, qua retunditur Typhonis impetus.«
 
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