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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Giehlow, Karl; Weixlgärtner, Arpad: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance: besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I. Ein Versuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0089

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Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance.

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Soweit es sich um die Auswahl geheimnisvoller Thiere für die Bildung eines Wahlspruches
handelte, konnte auch die Nachricht des Plutarch vorbildlich werden, dass die ägyptischen Krieger
einen Scarabäus auf Siegelringen aus dem Grunde zu tragen pflegten, weil es unter diesen Käfern nur
männliche Thiere gäbe. Dadurch wurde wieder der humanistischen Auffassung Vorschub geleistet, in
den heraldischen Zeichen Hieroglyphen zu erblicken; und das umsomehr, als der Tractat mit Diodor
und Eusebius darin übereinstimmt, dass die Aegypter zu ihrem Thierdienst durch die Verwendung
von Thieren als Feldzeichen geführt worden sein sollten. Dass durch die Leetüre dieser Stellen die Hu-
manisten in ihrer bereits vielfach beobachteten Auffassung von den Münzsymbolen als Hieroglyphen
erneut bestärkt wurden, steht wohl ausser Zweifel.

Welches rege Interesse aber solche Fragen im Kreise der medieeischen Akademie fanden, zeigt
Poliziano in seinen Miscellaneen. Während ihm die Störche früher als Sinnbild der Einigkeit gegolten
hatten, vertritt er dort auf Grund einer Nachricht des Aelian, der die Thierbeobachtungen des alexan-
drinischen Gelehrtenkreises überliefert, die Meinung, dass die Krähen die »concordia« symbolisiren.
Auch Lorenzo Medici war von dieser so merkwürdigen Stelle in Kenntnis gesetzt worden; und er war es,
der den Streit dadurch entschied, dass er zwei Goldmünzen der Faustina Augusta zeigte, die neben
Krähen auch die Inschrift »concordia« aufwiesen. Diese Nachricht des Polizian ist für die Hieroglyphen-
kunde des Humanismus insofern bedeutungsvoll, als Horapollon diesen Vögeln den gleichen hierogly-
phischen Sinn nicht nur beilegt, sondern auch dies in einer mit Aelian übereinstimmenden Weise be-
gründet.1 Hiermit erhielt die damalige Numismatik einen neuen Beweis, wie Recht sie hatte die
Münzsymbole den Hieroglyphen gleichzustellen. Poliziano, der dieses Erlebnis mit Lorenzo wohl
Ende der Achtzigerjahre — er schreibt 148g »nuper« — hatte, erwähnt allerdings die Parallelstelle
des Horapollon noch nicht. Aber Marsiglio kannte sie sicherlich, da er damals seine Plotinausgabe
bereits vorbereitete, in der er ausdrücklich auf diesen Schriftsteller Bezug nimmt, und ebenso Demetrius
Chalcondvlas, der den aus der medieeischen Bibliothek entliehenen Horapolloncodex des Filelfo i486
wieder zurückgeliefert hatte.2

Die belebende Wirkung, welche die Kenntnis von Plutarchs Tractat auf die hieroglyphischen Pietro dinito
Studien in Florenz weiter ausübte, äussert sich deutlich in den Arbeiten des Petrus Crinitus. Dieser Hieroglyphen.
Humanist tritt zwar an geistiger Bedeutung weit hinter die führenden Kräfte der platonischen Akade-
mie, bildet in ihr mehr ein aufnehmendes Element, wird aber dadurch gerade ein guter Berichterstatter
über die damals sie bewegenden Fragen. Von Ugolino Verrino als Dichter gepriesen, von Gyraldi als
tönender Phrasenheld geschmäht, hat er sich jedenfalls durch sein nach Art des Aulus Gellius zusammen-
gestelltes Werk »de honesta diseiplina« das unbestreitbare Verdienst erworben, zuerst öffentlich auf
das freche Lügenwerk der Commentare des Annius aufmerksam gemacht zu haben. In dieser Arbeit
behandelt er mit Vorliebe Einzelheiten aus der humanistischen Hieroglyphenkunde und hebt dabei be-
sonders Plutarch als Quellenschriftsteller hervor. Aus einigen mit einem gewissen Selbstgefühl ge-
machten Hinweisen ist zu entnehmen, dass Crinitus sogar eine Sonderabhandlung rapt tüv lepoYXuaaöto
tyjs aqwTOU ausgearbeitet hat, worin er »fast Alles erklärt haben will, was die Geheimlehren der Aegyp-
ter enthalten«. Während er diesen Tractat einem »Epistolica« genannten Werke einverleibte, hatte er
seine Forschungen über die ägyptische Philosophie in einer »Theoremata« betitelten Schrift nieder-
gelegt. Leider theilen beide Arbeiten dasselbe Schicksal wie das zweite Hundert der Miscellaneen des
Poliziano, dass ausser einigen Notizen nichts auf den heutigen Tag gekommen zu sein scheint; doch
gewähren diese in der honesta diseiplina zerstreuten Vermerke etwas mehr Anhalt, um sich einen
Begriff von den hieroglyphischen Studien des Crinitus zu machen. Darnach scheint er überhaupt einer

1 Vgl. Politiani Opera, Basileae 1553, Miscellaneorum centuria prima, cap. 67: »Cornicem videri apud veteris con-
cordiac symholum, non, ut omnes apud Juvenalem existimant, ciconiam.« Die Stelle über Lorenzo lautet: »Sed et in nomis-
matis aureis duobus Faustinae Augustae, manifestam prorsus imaguneulam (cornicis) nuper mihi Laurentius Mediees ostendit
cum titulo ipso concordiae« etc. Ueber die mit Aelian übereinstimmende Stelle des Horapollon vgl. Leemans, a. a. O., p. 10
und p. 156, sowie unten, Anhang III, die Uebersetzung Pirckheimers von lib. I, cap. 8.

2 Vgl. oben, S. 23 und 24.

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