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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Giehlow, Karl; Weixlgärtner, Arpad: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance: besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I. Ein Versuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0090

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Karl Giehlow.

der ersten Gelehrten gewesen zu sein, welche die Hieroglyphen als ein selbstständiges Wissensgebiet
behandelt haben. Daraufhin führte ihn vielleicht Valeriano unter den Begründern der Hieroglyphik auf.1

In der bunten Reihe, in der sensationelle Stellen aus den Schriften der Alten, biographische Noti-
zen, gehörte Gespräche und wissenschaftliche Streitfragen in der honesta disciplina zusammengestellt
sind, kommen Widersprüche öfter vor. Crinitus war bemüht, Interessantes zu liefern, so dass nicht
jedes abgedruckte Citat seine eigene Meinung darzustellen und sich mit einer anderswo wieder be-
richteten Auffassung streng zu vereinigen braucht. Dadurch erschwert sich freilich die Feststellung
seiner eigenen Ansicht über einzelne Fragen der Hieroglyphik; aber selbst auf die Gefahr hin, ihm
einen fremden Gedanken zu unterschieben, bleibt ein solcher Versuch unvermeidbar. Nur so lässt sich
ein Einblick in die Art gewinnen, wie das ägyptische Alterthum die Florentiner Geister beschäftigte.

Ebenso wie Marsiglio Ficino im Laufe seiner platonischen Studien dazu kam, bei den Aegyptern
zwei Schriftsysteme, ein symbolisches in Gestalt von Pflanzen und Thieren sowie ein alphabetisches,
anzunehmen, unterscheidet auch Crinitus. So berichtet er als Beitrag zur oft ventilirten Frage nach
der Anzahl der im Alterthum gesprochenen Idiome, dass er in einem uralten Codex einen Vers gefun-
den habe, wornach von sieben Schriftarten Moses zuerst die hebräische, dann Isis die ägyptische er-
funden hätte. Dass Crinitus damit nur ein Alphabet gemeint haben kann, stellt die auf die Nach-
richten Isidors von Sevilla zurückgehende Tradition ausser Frage, auf Grund welcher der Isis die Er-
findung der dem ägyptischen Idiom entsprechenden Charaktere zugeschrieben wurde. Da sich dann aus
den Nachrichten des Diodor von selbst ergab, dass diese Buchstabenschrift als die volksthümliche, die
der Hieroglyphen als die priesterliche aufzufassen wäre, bezeichnet der Schüler Polizianos auch die
Hieroglyphen als »notae sacerdotales (ut quidam vocant)«. Ob er sich aber bereits den Kopf über die
Form der Buchstabenschrift zerbrochen und auch die obige Stelle des Plutarch beachtet hat, lässt sich
nicht entscheiden.2 Sicher ist nur, dass ihm der Gedanke, unter der hieroglyphischen Priesterschrift
Buchstaben zu vermuthen, gänzlich fern gelegen hat. Zwar spricht er von »litterae Aegyptiorum, quae
hieroglyphica apellantur«, aber nur im Sinne der üblichen Ueberlieferung der Alten, dass sie eine
Bilderschrift bedeuten. Von diesem Standpunkt aus fällt ihm das Widersinnige dieser Bezeichnung
ebenso auf wie einst Alberti; er bevorzugt daher den Ausdruck »symbola« oder »notae hieroglyphicae«,
wenn er auf Hieroglyphen zu sprechen kommt.3 Es folgt daraus schon, dass Crinitus dem inneren
Wesen nach einen Unterschied zwischen Hieroglyphik und Symbolik nicht macht. Wenn er dennoch
einen besonderen Tractat über die Hieroglyphen Aegyptens schrieb, so hatte er dabei offenbar eine
Zusammenstellung der Sinnbilder im Auge, die von den Alten ausdrücklich als Hieroglyphen be-

1 Ueber Crinitus mit Taufnamen Riccio vgl. den Artikel in der Biographie generale. Dort das Datum des ersten
Druckes der honesta disciplina wohl unrichtig auf 1500 angegeben, da die Widmung an Bernardo Caraffa »Nonis Juniis 1504«
datirt ist. Crinitus ist 1465 geboren und gegen 1505 gestorben. Einige seiner handschriftlich erhaltenen Arbeiten erwähnt
Bandini im Catalogus cod. latinorum, Tom. II, in Cod. L, Plut. XXXIV und Cod. VIII, Plut. LXXXX. Die Kritik des Crinitus
über Annius findet sich in der honesta disciplina, lib. XXIV, cap. XII: »Annius Viterbcnsis, qui pleraque omnia impudentissime
confinxit«; seine oben besprochene Abhandlung über die Hieroglyphen wird erwähnt lib. VIII, cap. II — dort über deren
Inhalt die Worte: »ea fere omnia (referimus), quae arcana ista Aegyptiorum sacra denotarent« — und lib. V, cap. VIII. Hier
sei auch die interessante Stelle aus lib. VIII abgedruckt, wo Crinitus die Nachricht des Pomponius Mela wohl nach der Aus-
gabe Ermolao Barbaras von 1493 wiedergibt, dass »Aegypti homincs vetustissimi sunt, trecentos enim et XXX reges ante
Amasim et supra XIV milium annorum aetates certis annalibus referunt mandatumque litteris servant. Dum Aegypti sunt,
quater suos cursus vertisse sidera«. In lib. IX, cap. XI handelt er von der Philosophie des Mercur auf Grund der hermetischen
Schrift de sapientia und erwähnt seine eigene Schrift Theoremata. Ueber die Aufnahme der honesta disciplina im Auslande
vgl. unten die hieroglyphischen Studien in Deutschland.

2 Ueber Marsiglio Ficinos Ansicht, betreffend eine Buchstabenschrift bei den Aegyptern, vgl. oben, S. 22. Crinitus' obige
Stelle befindet sich: honesta disciplina, lib. XVII, cap. I: »Quoniam saepe in quaestionem venit, quot apud veteres idiomatum
genera fuerint etc.« Er citirt ex pervetusto codice die Verse: »Moyses primus hebraicas exaravit uteras... Isis arte non
minore protulit Aegyptias.« Die hier wohl zu Grunde liegenden Nachrichten Isidors vgl. oben, S. 15, und die Ausführungen
bei Reuchlin weiter unten. Valerianos Ansicht über diese Frage vgl. unten bei Schilderung seiner Hieroglyphik.

3 Vgl. Crinitus, a. a. O., lib. VII, cap. VII: »De hieroglyphicis Aegyptiorum litteris ac de vulture et ape eorumque
symbolo, tum de cruce etiam ipsa nobilis consideratio.« Da heisst es unter Anderem: »Nam in obeliscis regum Sesotidis
atque Sennesornci, qui ex Aegypto in urbem devecti sunt, per ejusmodi symbola et hieroglyphicas notas rerum naturae
interpretatio adnotata est. Ita enim Aegyptiorum philosophia creditur primo illustrata, quod ab eodem Plinio et aliis traditur.
 
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