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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Giehlow, Karl; Weixlgärtner, Arpad: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance: besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I. Ein Versuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0100

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Karl Giehlow.

für einen Stadtbefreier zu formen; gerade die Heldenthat des Scaevola beschäftigte damals die Phan-
tasie Mantegnas besonders, wie eine aus jener Zeit stammende Zeichnung beweist.1

Das Aegyptisch - Mystische dieses seltsamen Bildes liegt aber in der Zusammenstellung eines
menschlichen KÖrpertheiles mit einem Gebrauchsgegenstande. Unwillkürlich drängen sich hier die
Nachrichten des Cyrillus, Plutarchs und Horapollons über analoge hieroglyphische Bilder auf, die aus
einem über Kohlenrosten oder Rauchgefässen schwebenden Herzen bestehen sollten.2 Wohl auf Grund
solcher Berichte wird Mantegna zu seiner merkwürdigen Composition veranlasst worden sein; die
Gründlichkeit, welche er den hieroglyphischen Studien entgegenbrachte, gestattet diese Vermuthung.

Abseits also von den grossen Bildungscentren widmete er sich der neuen Wissenschaft, ein
Zeichen, wie die hieroglyphische Strömung sich der Geister bemächtigt. Und, wie am Hofe der Gon-
zaga in Mantua, wird dies auch im übrigen Italien der Fall gewesen sein, wo nur ein grübelnder Ge-
lehrter oder Künstler mit gleichgesinnten Mäcenen in Verbindung trat.

Die

Hieroglyphen-
kundc Fran-
cesco Colonnas
und die
italienischen
Humanisten
zu Anfang des
Cinquecento.

Betrachtet man inmitten der die ägyptischen Alterthümer wieder belebenden Humanisten die
Stellung Francesco Colonnas, so ist nicht zu verkennen, dass seine Hypnerotomachie einem weit ge-
fühlten Bedürfnisse entsprach. Wie Crinitus eine Zusammenstellung der hieroglyphischen Symbole in
einem wissenschaftlichen Tractate herauszugeben plante, popularisirte der venezianische Gelehrte die
Summe der römischen und paduanischen Hieroglyphenkenntnis in der Form eines Romanes. Sind
doch die von Colonna gegebenen Beispiele so zahlreich und so abwechselnd aus allen Gebieten des
Wissens gewählt, dass sie zu Anfang des Cinquecento ein einzig in seiner Art dastehendes Nach-
schlagebuch für jeden Humanisten bildeten, der sich über die geheimnisvolle Bildersprache der Hiero-
glyphen unterrichten wollte. Welche Hoffnung setzte aber nicht das neue Jahrhundert auf ihre Ent-
zifferung! Als Schrifterzeugnisse einer von Anbeginn der Welt überlieferten Weisheit galten sie für
eine Offenbarung über das Wesen aller Dinge; als Urkunden der ältesten Zeiten Hessen sie hoffen, die
letzten genealogischen Dunkelheiten zu enthüllen; als ein jedem Weisen zu allen Zeiten verständ-
liches Ausdrucksmittel versprachen sie der Ruhmessehnsucht jener Tage ein ewiges Leben im Ge-
dächtnis der Nachwelt. Allen diesen Wünschen und Hoffnungen schienen nun Colonnas Hieroglyphen
zunächst gerecht zu werden; hierin lag vor allem jene »novitas« der Hypnerotomachie, die Leonardo
Crasso in seiner Widmung an Guidobaldo nicht genug rühmen konnte.

Wenn daher aus späteren Klagen Crassos gelegentlich seiner Bitte um Erneuerung des einst auf
zehn Jahre bewilligten Druckprivilegs sowie aus der thatsächlich erst 1545 erfolgten zweiten Auflage
auf das Ausbleiben einer literarischen Wirkung geschlossen wurde, so ist dabei der Erfolg der Hypne-
rotomachie auf dem Gebiete der Hieroglyphenkunde zu wenig berücksichtigt. Im December 1499 war
freilich der Sieg der Renaissance jenseits der Alpen auf künstlerischem Felde schon längst entschieden,
sodass Colonna hier nichts Neues mehr bot; aber die Interessen für hieroglyphische Studien hatten
sich erst damals intensiver entwickelt.

Lediglich äussere Gründe werden den Nichteintritt der buchhändlerischen Erwartungen Crassos
verursacht haben; in dieser Hinsicht ist noch mehr als bisher den Thatsachen Rechnung zu tragen,
dass die Hypnerotomachie nicht in den Preislisten des Aldus vom Jahre 1503, beziehungsweise 1513
erscheint und die Verlängerung des Privilegs nicht von Aldus sondern von Crasso nachgesucht wird.3

1 Vgl. Thode, a. a. O., S. 88 die Abbildung des Sinnbildes und S. 106 die Angabe über die Entstehungszeit der in
München aufbewahrten Mucius Scaevola-Zeichnung. Eine derartige Impresa führte später ein Mucius Colonna; vgl. Giovios
Dialogo dell' imprese militari et amorose etc. (Lyon) 1574, p. 71. Sie besagte: »fortia facere et pati Romanum est«.

2 Vgl. Plutarch, a. a. O., weiter oben, S. 34, Anm. 2; dort ein Herz über einem Rost gleich caelum. Horapollon I, 22;
dort ein Herz über einem Rauchgefass gleich Aegyptus; vgl. Anhang III die Uebersetzung Pirckheimers und die Copie nach
Dürer. Vgl. Cyrillus weiter unten bei den Ausführungen über die Hicroglyphenkunde des Fra Urbano; dort ein Herz über
einem Rauchgefass als ira.

3 Leon Dorez, Etudes Aldines U: Des origincs et de la diffusion du »songe de Poliphile«, in der Revue des Biblio-
theques (Publication mensuelle, VI. Annee, 1896), p. 47, meint, dass der Poliphilo zwanzig Jahre früher einen grossen Erfolg
gehabt hätte, weil inzwischen die Renaissancebewegung in Italien abgeschlossen wurde. Wie neu aber sein Inhalt und zwar
 
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