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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Giehlow, Karl; Weixlgärtner, Arpad: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance: besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I. Ein Versuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0156

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Karl Giehlow.

den Vordergrund des Interesses der mailändischen Humanisten gerückt worden war. Denn noch im
Jahre 1515 war ja Coelius Rhodiginus in ihre Mitte berufen worden, dessen an hieroglyphischen Nach-
richten so reiches Werk der »antiquae lectiones«, dem Jean Grolier gewidmet, bereits im Laufe des
nächsten Februar erschien.1

Rhodiginus war in jenen Tagen Mailands wissenschaftlicher Stolz. Seine Vorlesungen hörte da-
mals wieder Paolo Giovio, der bereits in Padua sein Schüler gewesen war; unter den Gelehrten,2 mit
denen sich sein französischer Gönner umgab, galt er als erste Autorität:

»Illic fulgenti residet Grolierius aula
et secum doctos continet ille viros,
Caelius inter quos facundo prominet ore
et nitet ut leves gemma per articulosi

dichtet ein Zeitgenosse. Wohl begreiflich, dass seine »lectiones« den Gegenstand der lebhaftesten Er-
örterungen bilden. So hat Bandello den Tag nicht vergessen, der ihm Gelegenheit bot, einer solchen
Disputation zwischen Grolier und seinen Humanisten beizuwohnen. Im Kloster S. Maria delle Grazie
pflegte man sich zu versammeln, dessen Refectorium Leonardo's Abendmahl noch im frischen Glänze
zierte.3 Unter den gelehrten Theilnehmern darf man auch den jungen Alciat vermuthen.

Dass bei diesen wissenschaftlichen Untersuchungen die Hieroglyphen einen breiten Raum ein-
nahmen, steht wohl ausser Frage. Schon als Münzensammler reizte es Grolier, Näheres über den Hor-
apollon zu erfahren, dessen Inhalt so manchen Aufschluss über die antiken Münzsymbole versprach.
Bei einer solchen Gelegenheit mag Alciat die Gesellschaft durch den Vortrag von Epigrammen gefesselt
haben, die er den Hieroglyphica entnahm.

Einem durch Coelius in Mailand allgemeiner verbreiteten Bedürfniss kam daher damals eine
Horapollon-Uebersetzung entgegen; für Alciati wurde aber die des Fasanini ein besonderer Anlass, die
emblematische Poesie zu pflegen. In der »declaratio sacrarum literarum ex diversis auctoribus* las er
jetzt die Theorien gedruckt, welche Fasanini zur Zeit von Andreas Aufenthalt in Bologna mündlich ver-
breitet hatte. Der Wissensdrang des Mailänders begnügte sich aber nicht mit dessen Citaten; er ging
den Quellen nach, wie er im Jahre 1517 auch einen Tacituscommentar dem Galeazzo Visconti gewidmet
hat.4 Die alten und neuen Schriftsteller, aus denen Fasanini schöpfte, werden die Grundlagen für seine
hieroglyphischen Kenntnisse und liefern die Stoffe »ex rebus naturalibus« für seine emblematischen
Epigramme. Begreiflicherweise bevorzugt Alciat die humanistischen Compilationen des antiken
Wissensgebietes. Zu den Adagien des Erasmus gesellen sich vor allem die »antiquae lectiones» des
Rhodiginus als viel benutzte Fundstätten. Wie die ersteren die Hieroglyphensammlung Colonna's, so
ergänzten die letzteren die Hieroglyphica des Horapollon.

Merkwürdig ist, dass Coelius, der doch seinem Freunde Calcagnini, dem Uebersetzer von
Plutarchs Tractat de Iside et Osiride, einen Commentar der Lectionen zueignete, nicht die Ausführun-
gen dieses Griechen über die hieroglyphische Schrift in seinem den »hieroglypha grammata« gewid-
meten Capitel herangezogen hat. Dabei kannte er den Tractat; er ist wohl der Erste, welcher die allge-
meine Aufmerksamkeit auf dies verschleierte Bild von Sais durch die lateinische Wiedergabe der jetzt
so berühmten Stelle des Plutarch gelenkt hat.5 Um so mehr fällt die Lücke in dem ebengenannten Capitel

1 Vgl. oben, S. 108 f.

2 Vgl. Jovius, Elogia virorum literis illustrium (Basileae 1577): »sed eum (Rhodiginum) tarnen Patavii et Mediolani
cum laude vel ob id, quod egregiam totius Habitus dignitatem adhibuisset, e suggestu docentem audivimus«. Doch tadelt er
den Stil der antiquae lectiones. Calcagnini's Gedicht über den Tod des Rhodiginus druckt Giovio auch ab.

3 Vgl. M. Le Roux de Lincy, Rechcrches sur Jean Grolier. Doit, p. 44 die Nachricht über Bandello; p. 445 das
Gedicht, aus dem obiges Zitat über Rhodiginus. Es wurde 1518 zu Mailand gedruckt.

4 Dieser Galeazzo Visconti, auf den sich Alciat's Brief vom 10. Dezember 1520 bezieht, ist wohl identisch mit dem
Gesandten Lodovico Moros, von dem Pirkheimer in seiner historia belli Suitensis schreibt: imecura perrexit legatus Mediol.
Galeatius Vicecomcs, cum quo mihi prius — zur Zeit also, als er in Pavia studierte, — amicitia intercesserat«.

5 Vgl. die Antiquarum lectionum commentarii (Venedig 1516), p. 126: »In Sai Pallados erat templum, quam Isin
etiam arbitrantur, ejusmodi pracscriptione. Ego sum, quod fuit, est, erit. Meum pcplum mortalis revelavit nemo.' Vorher
war von der Sphinx die Rede: »scitu vero dignum illud est, is'.a Aegyptiorum templa sphingem astitui solitam, quo argu-
 
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