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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Giehlow, Karl; Weixlgärtner, Arpad: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance: besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I. Ein Versuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0157

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Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance. j ^ i

auf und die Vermuthung liegt nicht zu fern, dass bei den Disputationen darüber der junge Jurist als
Kritiker auftrat. Denn ihn hatten die Studien über die modernen Epigrammatiker von selbst zum Texte
der Moralia geführt.

An den Dichtungen eines Poliziano und Crinito konnte Alciati nicht vorbeigehen, wollte er sich
ein Urtheil über die zeitgenössischen Dichter bilden. Wohl die bewunderten Poesien des Ersteren haben
bei ihm den scharfen Maassstab herausgebildet, nach dem er die Neueren zu richten liebt. Auch ihre
Werke in Prosa hat er mit Aufmerksamkeit gelesen. Aus der »honesta disciplina« des Crinitus benützte
er für das Emblema »in momentaneam foelicitatem« das Gleichniss von der Pinie und dem Kürbis, das
einst Francesco Barbaro auf Venedig und Mailand angewandt hatte;1 in Polizian's »Miscellanea« reizte
ihn die Abhandlung über den Harpokrates dazu, emblematische Verse auf die Kunst des Schweigens zu
schmieden.2 Beide Dichter haben aber dem Tractate des Plutarch volle Aufmerksamkeit geschenkt;
gerade bei Schilderung der ebengenannten ägyptischen Gottheit hat sich Poliziano ausdrücklichst auf
die Nachrichten des Griechen berufen. So trieb eigene Lernbegier schon früh den vielinteressirten
Andrea dazu, sich über die Geheimnisse der ägyptischen Mythologie zu unterrichten.

Man erinnere sich hier der obigen Ausführungen über die Bedeutung der Plutarchischen Abhand-
lung für die Hieroglyphenkunde der Humanisten, um ihre Wirkung auf Alciat als Schöpfer der emble-
matischen Poesie zu ermessen.3 Das Staunen des griechischen Moralisten vor der geheimnissvollen Kunst
der Aegypter, ihre Weisheit in eine Bildersymbolik zu kleiden, übertrug sich mit der ganzen dogmatischen
Kraft einer klassischen Nachricht auf den begeisterten Humanisten. Noch weit war der Gedanke ent-
fernt, dass den Griechen ein Bestreben leitete, durch orientalische Vorstellungen den alten Glauben zu
beleben. Alciat nahm die griechische Auffassung von den Hieroglyphen widerspruchlos hin, zumal sie
gerade in ihm die Anschauungen bestärken musste, die ihn zur bewussten Ausübung der emblematischen
Poesie geführt hatten.

Besonders kommen hier die Worte Plutarch's in Betracht, dass von den Hieroglyphen die pythago-
reischen Symbole sich nicht viel unterscheiden. Alles, was der junge Jurist über das Wesen dieser Spruch-
poesie in Bologna gehört, in Beroaldo's kleiner Schrift gelesen hatte und an neuen Beispielen inmitten
der Adagien des Erasmus' kennen lernte, erhielt dadurch eine ägyptisch-mystische Färbung. Alciat ver-
wertet daher die bei Beroaldo gefundenen Ausführungen über das Symbol »super chenicem non sedendum«
nicht nur zur hieroglypbisch-emblematischen Wiedergabe der Worte »desidiam abjiciendam«4 sondern
befolgt auch sonst diese eigenthümliche Verhüllung des wirklich gewollten Sinnes. [»Aliud sonantia,
aliud significantia* charakterisirte, wie oben geschildert, der Bolognese die Sprüche des Pythagoras.
So erklärt sich, dass öfter die Ueberschriften der Embleme nicht wortgetreu die in den Versen beschrie-
benen Hieroglyphen wiedergeben, vielmehr erst aus ihren Bedeutungen der endgültige Sinn zu errathen

mento indicarent, theologiam ipsorum sapientiam obscuriorem fabulisque ita saepe convelatam, ut veritatis vestigia vix inter-
lucerent«. Einmal, p. 33g, erwähnt Rhodiginus flüchtig auch die Bedeutung des Wortes »emblema« bei der Exhibitionsklage.

1 Vgl. Crinitus, Honesta disciplina, Hb. II, cap. XIIII. Ueber die gebräuchliche Bedeutung des Kürbisses als Sinnbild der
Vergänglichkeit vgl. unten die Hieroglyphenkunde der deutschen Humanisten. Nach Guicciardini soll Alciat dieses Emblema
vor der Thür eines Engländers angeheftet haben, der sich durch seinen Erfolg den Anderen unleidlich gemacht hatte; so
Mignault, a. a. 0., p. CXXIIII. Das Emblema vgl. in der Augsburger Ausgabe, p. 85.

2 Vgl. über die Abhandlung Poliziano's oben, S. 80; das Emblema »in silentium« befindet sich a. a. O., A3.

3 Vgl. oben, S. 81 ff.

4 Vgl. Alciati, Emblemata, p. A7v:

»Quisquis iners abeat, in chenice figere sedem
Nos prohibent Samii dogmata saneta senis.
Surge igitur duroque manus asuesce labori,
Det tibi dimensos crastina ut hora eibos«;

Beroaldo — vgl. oben, S. i33, — deutet »super chenicem non sedendum» gleich »de crastina esse cogitandum«. Das Bild
der Steyner'schen Ausgabe stellt einen Mann dar, der einen stufenförmig gestalteten Berg mit Hilfe eines geflügelten Weibes
erklimmt, um zu eben einem solchen auf der Spitze zu gelangen. Damit ist der Gedanke der Verse eher getroffen als durch
einen nachdenklich auf einem Kornmaass sitzenden Mann, wie ihn die Auflagen anderer Verleger darstellen. Mercati bemerkt
darüber — degli obelischi di Roma (Roma 1589), p. 220 — richtig: »si come appresso alcuno dei moderni, si vede per impresa,
dipinto un'huomo a sedere sopra uno stajo, quantunque il precetto commandi il contrario«.
 
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