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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Giehlow, Karl; Weixlgärtner, Arpad: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance: besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I. Ein Versuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0159

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Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance. T5 3

und Helden des Alterthums niedergelegt hatten, die Grab-und Weihinschriften dieser für die Allegorie
der Renaissance nicht genug zu würdigenden Gedichtsammlung erweckten in dem humanistischen
Hierogrammaten dieselbe Auffassung, der Rinieri Ausdruck gab, wenn er sagte, dass die alten Poeten
den im engen hieroglyphischen Bilde concentrirten Gedanken den weitesten Spielraum in ihren Dich-
tungen gewährt hätten.1

Alciat prüfte daher die einzelnen Gedichte der ßlüthenlese auf die bildliche Darstellbarkeit ihrer
Verse hin; sie waren ihm als Emblemata willkommen, wenn ihre Moral sich ebenso kurz in Worte wie
in einzelne Bildzeichen fassen Hess. Ja, derart wurde er vertraut mit dem Inhalt der Epigramme, dass
er ihre Kenntniss allgemein voraussetzt und schliesslich Gedanken durch Bilder wiedergeben zu können
glaubt, die nur dem Leser des Gedichtes verständlich sind. Wer würde wohl dem Bilde eines sich die
Haare raufenden Weibes, das neben einem Sarkophage steht (vgl. Fig. 24), die Worte »in victoriam dolo
partam« entnehmen, wenn ihn darüber nicht Alciat's Uebersetzung eines Tetrastichons des Asclepiades
aufklärte, die lautet:

»Aiacis tumulum ego perluo virtus,
Heu misera albentes dilacerata comas,
Scilicet hoc restabat adhuc, ut judice graeco
Vincerer et causa stet potiore dolus.«2

Wer wollte dem Schilde, den ein Landsknecht hält (vgl. Fig. 25), ansehen, dass es »auxilium nunquam
deficiens« bedeutet, wüsste er dies nicht aus dem Epigramm, welches Verse des Julius Leonidas über
eine Heldenthat des Myotilos derart wiedergiebt:

»Bina pericla unis effugi sedulus armis,
Cum premererque solo, cum premererque salo.
Incolumem ex acie clypeus me praestitit idem
Naufragum apprensus littora adusque tulit.« 3

[Ohne eine Beischrift sind hier die Bilder unlösbare Räthsel, mit einer solchen aber nicht mehr die
»tacitae notae«, welche Alciat lehren will. So weit aber die Beifügung auch nur eines Namens zum
Verständniss erforderlich ist, verstösst der emblematische Dichter gegen den Hauptgrundsatz der huma-
nistischen Hieroglyphenkunde, dass die Interpretation des einzelnen Bildzeichens sich dem Beschauer
aus einem »naturale discorso* ergeben müsse; wie dies später auch ein Mercati noch fordert, der
die Emblemata als eine bestimmte Art von Hieroglyphen ganz im Geiste Alciati's auffasste. Consequenter
Weise tadelte er überhaupt die eine Sentenz oder ein Motto wiedergebenden Bildzeichen, deren Deutung
»senza la cognitione di queste historie un huomo savio et prudente« nicht erlangen könne.4]5

Es fügte sich aber sonderbar, dass Alciat in dieser Neigung durch eine literarische Neuheit beson-
ders bestärkt werden sollte. Schon Rhodiginus hatte für die »antiquae lectiones« die Beschreibung des
Pausanias von seiner Rundreise durch Griechenland gelegentlich benützt, in einer im November 1515 ge-
druckten Widmung war Grolier's Interesse für ihre durch Aldus' Tod unterbrochene Herausgabe von
Marcus Musurus in Anspruch genommen worden, endlich im Juli des nächsten Jahres erschien die editio
prineeps des griechischen Textes.6 Damit bekam Alciat eine Schilderung des erstaunlich großen Vor-
raths von Kunstwerken in die Hände, welche trotz der römischen Plünderung der Perieget auf seinen
Wanderungen noch vorgefunden hatte; gleichzeitig erhielt er einen Einblick in die Mythen, Sagen und
Geschichten, welche der griechische Künstler darzustellen hatte. Er traf darunter auch jene Werke wieder,
denen die Epigramme galten und die Plutarch besprach. Gerade bei der Elischen Venus überliess

1 Vgl. oben, S. 106.

2 Vgl. Alciati Emblemata (15 31), p. AJt und den griechischen Text bei Thuilius, a.a.O., p. 234. Das Gedicht be-
findet sich im dritten Buch der aldinischen Anthologie unter den Epigrammen t!{ fJpoWK.

1 Vgl. Alciati Emblemata (1531), p. CSt.

4 Vgl. Mercati, a. a. 0-, p. 118, Thuilius, a. a. 0., p. 683 ff. und Green, a. a. 0 , p. 34. Dort der griechische Text eben-
falls abgedruckt.

3 Das Eingeklammerte ist im Manuscript vom Autor durchstrichen (Anmerkung des Herausgebers).

6 Vgl. Firmin Didot, Aide Manuce, p. 407 und 464. Eine lateinische Uebersetzung veröffentlichte erst Romolo
Amaseo 1547.

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