Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

DOI Artikel:
Sitte, Heinrich: Ein vergessenes Parthenonbild
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0425

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Fig. 3. «Carrey», Südmetopen V—VIH (nach Omont, Athenes, pl. 4).

sicheren Überlieferung des Plutarch zurück. Nur wie ein letzter schon verhallender Nachklang an
Puchsteins veralteten Versuch wirkten Schräders vor wenigen Jahren geäußerte Gedanken über
Phidias.1

Aber auch auf das engere Gebiet der Parthenonforschung hatten die ungerechtfertigten Zweifel
an unseren sicheren Dokumenten übergegriffen. Hier war nicht nur die einseitig verfehlte Über-
schätzung einer Überlieferung an allen Irrtümern schuld, sondern, wie wir sehen werden, die tat-
sächliche allgemeine Unkenntnis selbst bereits längst bekannter und in der Fachliteratur ausdrück-
lich genannter Quellen.

Der Maler, der den Marquis de Nointel im Jahre 1674 auf seiner Reise nach Athen begleitete,
also den Parthenon noch vor der Zerstörung durch die Explosion von 1687 mit fast allen Skulpturen
an ihrem ursprünglichen Platze sah und einen großen Teil dieser Bildwerke in knapp bemessener
Zeit unter ungünstigen Umständen abzeichnete, —■ nennen wir ihn trotz des Schwankens auch in
dieser kleinen Detailfrage immerhin «Carrey» — «Carrey», dem wir so unendlich viel verdanken,
dessen Rechtschaffenheit nie bezweifelt worden war, sollte bei seiner ernst und eifrig durchgeführ-
ten Arbeit ungenau, leichtsinnig vorgegangen sein, nur weil wir heute noch immer eine Reihe
seiner Zeichnungen nicht sofort leicht erklären können. Auf 32 Feldern gab er 32 Metopen zeich-
nerisch ohne ihren architektonischen Rahmen wieder, die gleichwohl stets als die 32 Metopen der
Südseite des Parthenon bezeichnet wurden. Sie müssen sich nach allem, was wir von anderen
einheitlichen Skulpturengruppen des Parthenon wissen, alle ohne Ausnahme auf ein Thema be-
ziehen, auf den Kampf der Lapithen und Kentauren, wenn wir auch einige Platten dieser Metopen-
reihe noch nicht genau zu erklären vermögen. Daß einige dieser 32 Felder, die wir in den bei-
gegebenen Abbildungen (Fig. 2—8) leicht überblicken können, keine Kentaurenfigur enthalten, ließ
den unmöglichen Gedanken entstehen, daß diese sich auf ein anderes Thema bezögen und die geistige
Geschlossenheit der Komposition hier somit nicht gewahrt wäre. Dieser Irrtum hat seit Bröndsted2
zu den oft verzweifeltesten Erklärungsversuchen geführt, die alle, einschließlich der in jüngster Zeit
vorgebrachten, verfehlt sein müssen und nicht weiter hier erwähnt zu werden brauchen. Nur mit dem
Versuch, «Carrey» in seiner Treue und Zuverlässigkeit ohne Grund anzuzweifeln, werden wir uns
im folgenden beschäftigen. «Carrey» sollte nach Schräders Meinung nur die besterhaltenen und
bequem zugänglichen Metopen abgezeichnet, zufällig gerade 32 von allen 92, die er noch zur Ver-
fügung hatte, ausgewählt haben, bloß 32, d. i. eben genau die Zahl der Metopen einer Langseite
des Parthenon, in eine Reihe gebracht haben und diese wären dann leichtfertigerweise alle immer
als Südmetopen bezeichnet worden, wie man in der schönen neuen Publikation von «Carreys»
Zeichnungen in Omonts Athenes au XVIIe siecle (1898) deutlich sieht und wie es Bröndsted3 aus-

1 Jahreshefte des österreichischen archäologischen Instituts XIV (1911), S. 1 ff.; weiterhin immer unter Schräder zitiert.

2 Bröndsted, Reisen und Untersuchungen in Griechenland II (i83o), Der Parthenon.

3 A. a. O. II, S. 166, Anmerkung.

54-*
 
Annotationen