Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert.
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a) Thronende Madonna mit dem Kinde 1 (Taf. XXII). Auf einem reich dekorierten Throne,
der jenen auf den Sarkophagen der fünfziger Jahre — auch in der dekorativen Tendenz — ähnlich
sieht, sitzt die Madonna, das Jesukind re*hts stützend, das nach einer Blume greift. Auch hier
reichen die stilistischen Grundformen, die allgemeine Auffassung des Motives in die vierziger
Jahre zurück und ebenso zeigen sich deutlich die Merkmale der französischen Einflußwelle. Man
vergleiche diese Madonna mit der am Ponte del Paradiso, wo auch das althergebrachte Motiv
des an der Brust durch einen Knopf befestigten Mantels, der zugleich Kopftuch ist, in Verwendung
gelangte; oder mit der Frari-Madonna, deren Gewand sich ebenfalls vom linken Knie aus auf dem
Thronsessel ausbreitet und an deren Hals sich ebenso wie an der Seminario-Madonna einige
«Schönheitsfalten» bilden. Man betrachte ferner die plattgedrückten Falten am rechten Knie, die
Fig. 122. Sankt Barbara. Fig. 123. Sankt Anna. Fig. 124. Evangelist Markus.
Paris, Musce de Cluny. Moret-sur-Loing, Kirche. Bernay, Heiligenkreuzkirche.
in ähnlicher Weise an der Frari-Madonna und an dem französischen Beispiel von Moret-sur-Loing
vorkommen. Augen,. Nase und Mund stimmen mit der Seminario-Madonna überein. Das Kind
erinnert an das des Kirchturmreliefs der Frari-Kirche.
b) Thronende Madonna mit dem Kinde2 (Taf. XXIII). Madonna und Kind sind voll-
rund, jedoch mit Reliefwirkung gearbeitet. Auch hier erinnert die Form des Thrones an die Bei-
spiele der fünfziger Jahre. Der französische Typus der Madonna tritt noch deutlicher hervor, zumal
wenn man sie mit einer Madonna aus der Kirche in Bornel (Fig. 126) vergleicht, wo die gleiche
merkwürdige Biegung der Lippen dem Gesichte einen ganz eigentümlichen Ausdruck verleiht. Der
innere Schwung ist hier kräftiger durchgebildet als bei den übrigen hier erwähnten Beispielen, die
Kleidung hingegen weniger gefaltet, das Kind freier, naturalistischer (Stellung der nackten Beine)
behandelt.3
1 Est. Samml. Nr. 925. 40 X 52-5 cm; zu diesem Relief wurde die Deckplatte eines antiken Kapitells verwendet, ein
Teil des Wulstes ist an der Rückseite noch zu sehen.
2 Est. Samml. Nr. 901. 42 X 62 cm.
3 Die Madonna mit dem Kinde, die einst am Palazzo pubblico stand und sich jetzt im Museo civico von Treviso
befindet (Abbildung bei Venturi IV, p. 819), gehört ebenfalls zu unserer französisierenden Richtung. Nicht eine Folge — wie
Yenturi meint — von der Kunst der Masegne, sondern eine Vorbedingung für diese.
2t*
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a) Thronende Madonna mit dem Kinde 1 (Taf. XXII). Auf einem reich dekorierten Throne,
der jenen auf den Sarkophagen der fünfziger Jahre — auch in der dekorativen Tendenz — ähnlich
sieht, sitzt die Madonna, das Jesukind re*hts stützend, das nach einer Blume greift. Auch hier
reichen die stilistischen Grundformen, die allgemeine Auffassung des Motives in die vierziger
Jahre zurück und ebenso zeigen sich deutlich die Merkmale der französischen Einflußwelle. Man
vergleiche diese Madonna mit der am Ponte del Paradiso, wo auch das althergebrachte Motiv
des an der Brust durch einen Knopf befestigten Mantels, der zugleich Kopftuch ist, in Verwendung
gelangte; oder mit der Frari-Madonna, deren Gewand sich ebenfalls vom linken Knie aus auf dem
Thronsessel ausbreitet und an deren Hals sich ebenso wie an der Seminario-Madonna einige
«Schönheitsfalten» bilden. Man betrachte ferner die plattgedrückten Falten am rechten Knie, die
Fig. 122. Sankt Barbara. Fig. 123. Sankt Anna. Fig. 124. Evangelist Markus.
Paris, Musce de Cluny. Moret-sur-Loing, Kirche. Bernay, Heiligenkreuzkirche.
in ähnlicher Weise an der Frari-Madonna und an dem französischen Beispiel von Moret-sur-Loing
vorkommen. Augen,. Nase und Mund stimmen mit der Seminario-Madonna überein. Das Kind
erinnert an das des Kirchturmreliefs der Frari-Kirche.
b) Thronende Madonna mit dem Kinde2 (Taf. XXIII). Madonna und Kind sind voll-
rund, jedoch mit Reliefwirkung gearbeitet. Auch hier erinnert die Form des Thrones an die Bei-
spiele der fünfziger Jahre. Der französische Typus der Madonna tritt noch deutlicher hervor, zumal
wenn man sie mit einer Madonna aus der Kirche in Bornel (Fig. 126) vergleicht, wo die gleiche
merkwürdige Biegung der Lippen dem Gesichte einen ganz eigentümlichen Ausdruck verleiht. Der
innere Schwung ist hier kräftiger durchgebildet als bei den übrigen hier erwähnten Beispielen, die
Kleidung hingegen weniger gefaltet, das Kind freier, naturalistischer (Stellung der nackten Beine)
behandelt.3
1 Est. Samml. Nr. 925. 40 X 52-5 cm; zu diesem Relief wurde die Deckplatte eines antiken Kapitells verwendet, ein
Teil des Wulstes ist an der Rückseite noch zu sehen.
2 Est. Samml. Nr. 901. 42 X 62 cm.
3 Die Madonna mit dem Kinde, die einst am Palazzo pubblico stand und sich jetzt im Museo civico von Treviso
befindet (Abbildung bei Venturi IV, p. 819), gehört ebenfalls zu unserer französisierenden Richtung. Nicht eine Folge — wie
Yenturi meint — von der Kunst der Masegne, sondern eine Vorbedingung für diese.
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