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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 33.1916

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I. Theil: Abhandlungen
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Planiscig, Leo: Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.6168#0183
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Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert.

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alle Zweifel erhabene Annahme der Autorschaft Ninos vorliegen und da wir nur einen innigen
stilistischen Zusammenhang feststellen, nicht aber die Sicherheit gewinnen können, es handle
sich hier wirklich und einwandfrei um dessen Werk, so müssen wir auf Umwegen zu ermitteln
versuchen, ob im Veneto Werke bekanntrsind, die bestimmt nicht Nino angehören, die aber
von seinem Stile abhängig, d. h. unter seinem unmittelbaren Einfluß entstanden sind.
Hier ist zunächst eine Madonnenstatue aus S.Simeone in Zara (Fig. i3o) zu erwähnen, die noch
gänzlich unbekannt ist.1 Ihre stilistische Zugehörigkeit zu der Kunst Ninos ist evident. Man vergleiche
sie mit der Madonna am Grabmal des Cavalcanti in S. Maria Novella, mit jener des Grabmals
Saltarelli in Sta. Chiara zu Pisa und — speziell für die Fältelung der Gewänder (die gerollten
Falten des Mantels unter dem Kinde) — mit jener der Domopera von Orvieto, für die Behandlung
des Gesichtes (die schmalen, mandelförmigen Augen, die Bildung der Mund- und Kinnpartien, die

Fig. 129. Sargkasten des Marco Cornaro.
Venedig, SS. Giovanni e Paolo.

Haarbehandlung) mit jener des Nationalmuseums in Budapest. Diese stilistische Verwandtschaft
einer Fülle von Details genügt aber weitaus nicht, um diese Figur für Nino in Anspruch zu
nehmen. Ich glaube,' auch Venturi würde in diesem Pralle meiner Meinung sein und die Zaratiner
Madonna für ein unter dem Einflüsse Ninos entstandenes, ihm aber nicht direkt angehöriges Werk
ansehen. Wir haben also einen dem Einflußkreise Ninos entstammenden Madonnentypus vor
uns, der sicherlich den Anforderungen der Besteller entsprach, mit der allgemeinen Stilentwicklung
der Skulptur in nächstem Zusammenhang stand (wir brauchen nur an die venezianischen Madonnen-
statuen französischer Art zu erinnern, die in der Auffassung mit unserem Stücke und überhaupt
mit jener italienischen Stilrichtung, die unter Ninos Zeichen stand, eine große Ähnlichkeit auf-
weisen) und der, vielfach wiederholt, zum Schlüsse eine Formel, ein Schema für die Madonnen-
darstellung wurde. Nino brachte — wobei in erster Linie an seine Madonna gedacht werden soll
— gegenüber dem noch vom Vater geerbten majestätischen Ernst des Giovanni Pisano einen
«lieblichen», «graziösen» Zug in die Kunst, der in der Entwicklung der französischen Skulptur
von ungefähr 1340 an eine Parallele oder vielleicht auch seine Triebfeder hatte. Die Wege sind
gemeinsam wie die Endresultate: die lieblichen Madonnen der sogenannten Pariser Schule und
Ghiberti, Claus Sluter und Donatello. Als Beweis für die Allgemeinheit dieses von Nino in Italien

1 Ich verdanke die Aufnahme dieses Stückes Herrn Dr. Hans Folnesics.

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