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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 34.1918

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I. Teil: Abhandlungen
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Berenson, Bernard: Eine Wiener Madonna und Antonellos Altarbild von S. Cassiano
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https://doi.org/10.11588/diglit.6169#0043
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EINE WIENER MADONNA
UND ANTONELLOS ALTARBILD VON S. CASSIANO.

Von

Bernhard Berenson.

|chon fünfundzwanzig Jahre interessierte und beschäftigte mich eine Madonna
in Wien (Figg. t, 2 und Taf. IV). Als sie zuerst meine Aufmerksamkeit
erregte, war sie Giovanni Bellini zugeschrieben. Ich hielt aber diese Be-
stimmung nicht für richtig; denn die Malweise war durchaus nicht die Belli-
nis. In mir rief sie zu dieser Zeit mehr den Gedanken an einen Meister
wie Boccaccio Boccaccino wach, an dessen ovale Gesichtsbildung, große runde
Augen und satten Ton sie erinnerte. Trotz alldem gab ich mich nicht da-
mit zufrieden, dieses Bild ihm zuzuschreiben, und vor zehn Jahren reihte ich es, weil ich eben
nichts Besseres wußte, in meine «Norditalienischen Maler» als ein Werk ein, das möglicherweise
von dem etwas schattenhaften «Pseudo-Boccaccino» stammen könne.

Ich halte es für keine große Verirrung, die Wiener Madonna mit Boccaccinos Art in Ver-
bindung gebracht zu haben, da wirklich viele Ähnlichkeiten vorhanden sind, und bei dem da-
maligen Stande der Forschung kannte ich keinen andern Maler, der Berechtigung zu haben schien,
als Schöpfer dieses Bildes zu gelten. Als noch einen geringeren Fehler sehe ich es an, daß ich
es mit einem Fragezeichen in das Verzeichnis von «Pseudo-Boccaccinos» Werken einreihte; denn
dieser Meister hatte, nachdem man zwischen ihm und Boccaccino unterscheiden gelernt hatte, fast
noch mehr Ansprüche darauf; doch genügten mir diese nicht. Hätte ich streng wissenschaftlich
vorgehen wollen, so hätte ich vielleicht jede Erwähnung dieses Bildes vermeiden müssen. Aber
ich pflegte interessante und bedeutende Werke, deren weiteres Studium nutzbringend sein
konnte, immer unter jene Maler einzureihen, mit deren Stil sie die größte Ähnlichkeit hatten. Das
Fragezeichen diente als Warnung, daß diese Einreihung mehr als ein Ausgangspunkt für weitere
Forschung denn als feststehende Bestimmung anzusehen sei. Dadurch wird ein unbestimmtes Bild
Gegenstand von Erörterungen, die mehr als einmal mit der Auffindung des wirklichen Schöpfers
endeten.

Inzwischen waren im Laufe der Jahre, die ich, mit anderen Dingen beschäftigt, nicht einem
systematischen Studium venezianischer Kunst widmen konnte, neue Urkunden und neue Arbeiten
erschienen, die unser Wissen über Antonello da Messina klärten, erweiterten und vertieften. Eine
Anzahl bestimmter Daten wurde gefunden, ohne die es zweifelhaft gewesen wäre, in welche Jahr-
zehnte des XV. Jahrhunderts seine Schaffenszeit gerade gefallen ist, und ohne die es fast unmög-
lich gewesen wäre, zu wissen, was man von ihm erwarten durfte. Jetzt aber haben wir gewisse,
ganz bestimmte Anhaltspunkte, z. B. den, daß ein nach dem Jahre 1479, dem Todesjahre des
großen Antonello, datiertes Bild nicht von ihm sein kann. In neuerer Zeit wurde auch sein
bezeichnendstes Werk entdeckt, die große «Verkündigung» im Palazzo Acreide; Halbbilder, wie
«Mariä Verkündigung» in Palermo und München kamen an den Tag und jenes hervorragende
Meisterwerk: «St. Hieronymus» in der National Gallery wurde allgemein als seine Schöpfung an-

xxxiv.
 
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