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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 34.1918

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I. Teil: Abhandlungen
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Baldass, Ludwig: Die niederländische Landschaftsmalerei von Patinir bis Bruegel
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https://doi.org/10.11588/diglit.6169#0123
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DIE NIEDERLÄNDISCHE LANDSCHAFTSMALEREI
VON PATINIR BIS BRUEGEL

Von

Ludwig von Baldass.
Einleitung.

ie Kunst des XV. Jahrhunderts steht nördlich und südlich der Alpen im wesent-
lichen im Banne eines jungen Naturalismus. Dieser Naturalismus hat sich vor
allem in den Niederlanden schon zu Beginn des Jahrhunderts neben der
menschlichen Figur auch der Landschaft bemächtigt. Schon in dem berühm-
ten Werke der Brüder von Limburg, in den Livres d'heures des duc de Berry im
Musee Conde zu Chantilly, offenbart sich ein erstaunlicher Natursinn. Das genaue
Studium der Einzelbestandteile der Landschaft, die minutiöse Wiedergabe der
Vegetation erscheint zur Vollendung gebracht in den Werken Jan van Eycks. Doch die Landschaft
ist auf seinen Bildern im wesentlichen nur schmückendes Beiwerk und bleibt es in den vlämischen
Provinzen das ganze Jahrhundert hindurch. Auch Hugo van der Goes, der bedeutendste flandrische
Künstler der zweiten Jahrhunderthälfte, erblickt in der Landschaftsdarstellung das Ziel seiner Auf-
gabe, in erster Linie in der Ausgestaltung des Details. Erst um die Jahrhundertwende begegnen
wir in den reifen Werken des in Brügge tätigen Gerard David einer Naturauffassung, die in der
Erfassung des landschaftlichen Gesamtbildes alles, was bisher in den südlichen Niederlanden ge-
schaffen wurde, weit hinter sich läßt. An dieser Errungenschaft Davids hat zweifelsohne die künstle-
rische Erziehung, die ihm in seiner Jugend in Holland zu Teil wurde, einen gewichtigen Anteil.

In der Lebensbeschreibung des Albert van Ouwater berichtet bereits Karel van Mander,1 daß
aus dem Munde der ältesten Maler bezeugt wurde, daß es Harlem gewesen sei, wo die beste und
erste Manier der Landschaftsmalerei entstand. In der Tat offenbart sich schon im XV. Jahrhundert
ein tiefgehender Unterschied zwischen nord- und südniederländischer Landschaftsauffassung. In
Holland ist die Landschaft von Anfang an nicht nur schmückendes Beiwerk sondern auch Mittel
zur Darstellung des Raumes. Die Flügelbilder des Münchener Epiphaniealtars von Dirk Bouts
sowie die Berliner Tafel mit Johannes dem Täufer von Geertgen van Harlem und seine beiden
großen Bilder in Wien sind die besten Beispiele. Der Landschaft wird ein bedeutend größerer
Teil der Bildfläche überlassen als in Flandern. Das frische und unmittelbare Naturempfinden des
holländischen Künstlers treibt diesen, die Landschaft seiner engeren Heimat einem Idealgebilde
womöglich vorzuziehen. Die Erfassung der Gesamtstimmung liegt ihm vor allem am Herzen. Wir
erkennen in den frühholländischen Gemälden einen auffallenden Sinn für Weiträumigkeit und
bisweilen sogar für Wiedergabe atmosphärischer Erscheinungen. Jene holländischen Künstler, die
in engere Beziehung zur südniederländischen Malerei getreten sind, wie der aller Wahrscheinlich-
keit nach bei Rogier van der Weyden in der Lehre gewesene Dirk Bouts und der von Hugo van
der Goes inspirierte Geertgen van Harlem, haben sich die Errungenschaften der vlämischen Kunst
um die Wiedergabe des Details zu eigen zu machen gewußt. Bei den rein autochthonen Künst-
lern Hollands, z. B. bei dem Meister der virgo inter virgines, suchen wir hingegen dieses
genaue Studium der Vegetation vergebens.

1 Ausgabe von Floerke I, S. 66.
XXXIV.

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