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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 34.1918

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I. Teil: Abhandlungen
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Oldenbourg, Rudolf: Die Nachwirkung Italiens auf Rubens und die Gründung seiner Werkstatt
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https://doi.org/10.11588/diglit.6169#0173
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DIE NACHWIRKUNG ITALIENS AUF RUBENS UND
DIE GRÜNDUNG SEINER WERKSTATT

Von

Rudolf Oldenbourg.

as Lebenswerk von Rubens stellt in seiner unabsehbaren Ausdehnung und der
tiefen, erschütternden Wirkung, die es bis weit über die Grenzen der Nieder-
lande ausgeströmt hat, jeden, der ihm näher tritt, vor eine kaum zu fas-
sende Kundgebung menschlicher Fähigkeiten. Nicht nur, was er selbst be-
rührt, trägt den Stempel seiner unerschöpflichen Zeugungskraft: er zieht auch
"eine Anzahl starker Talente, ja fast alle Zeitgenossen in Antwerpen derartig
in seinen Bann, daß sie sich jedes persönlichen Wollens entäußern und glück-
lich scheinen, ihre Kräfte in seinen Dienst stellen zu dürfen. Von äußeren Umständen unerhört
begünstigt, scheint sich dieses Leben und Schaffen ungetrübt und göttergleich zu vollziehen; alle
Kräfte wirken stets auf ein glückliches Gelingen zusammen, ohne sich je in mühevollem Suchen
und Ringen nutzlos zu verbrauchen. Das Bekenntnis an einen Korrespondenten: «Mein Talent
ist so geartet, daß keine Unternehmung, sei sie noch so groß oder mannigfaltig im Gegen-
stand, mein Selbstvertrauen je überboten hat», wäre bei jedem anderen wahnwitzige Selbst-
überhebung; in seinem Munde ist es eine naive, auf der festen Basis seiner Leistungen gegründete
Bewertung seiner Fähigkeiten.

Soweit Rubens diese selbstsichere Vollkommenheit und damit seine herrschende Stellung
in der flämischen Malerei bloß seinen überlegenen Gaben verdankt, gehört sie zu den Phäno-
menen, die, aller Erklärungs- und Deutungsversuche spottend, die wortlose Bewunderung der
Nachwelt fordern. Was aber an äußeren, geschichtlichen Faktoren zusammenwirken mußte, um
dieses unerhört fruchtbare Wechselverhältnis von Verdienst und Glück zu ermöglichen, liegt in
einem der Forschung zugänglichen Gebiet, und zwar im wesentlichen nach zwei Gesichtspunkten:
Rubens ist der Erbe einer langen, höchst verwickelten Kunsttradition und als solcher naturgemäß
stark eklektisch, wenigstens bis zur Zeit seiner vollen Reife; es bietet sich also namentlich für die
Betrachtung seiner Jugendentwicklung ein ziemlich dichtes Netz von verbindenden Fäden, die
seine Stellung im Gesamtbild der zeitgenössischen Kunst bestimmen. Noch tiefer als diese histo-
rischen Bedingungen aber wirkt die eigentümliche autonome Zucht seiner Arbeitsweise, die gere-
gelte Art, in der er seine natürlichen Gaben entfaltet, auf das Gedeihen seiner künstlerischen
Macht. Ein für jede Aufgabe genau bemessener Aufwand von Kräften und die systematisch fest-
gelegte Arbeitsweise, bei der je nach Wunsch des Meisters ein Gehilfe einspringen kann, führt jeden
Tropfen seiner sprudelnden Erfindung der willkürlichen, nutzbaren Produktion zu, und wenn der
Einfluß äußerer Anregungen namentlich in den Jugendwerken des Künstlers hervortritt, so erreicht
er erst im reiferen Mannesalter die feste Prägung seines Stilgefühls und damit die einzigartige, für
die Werkstattgründung erforderliche künstlerische Disziplin, mit der er sich eigentlich erst der
ganzen Spannweite und Leistungsfähigkeit seiner natürlichen Gaben bewußt wird.

Dazwischen aber liegt, etwa von 1607—1614, eine Zeit starker Gärung, in der er eine über-
wältigende Fülle widerstreitender Elemente zu vereinigen und in seiner Person auf einen Nenner

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