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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 35.1920-1921

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Baldass, Ludwig: Ein Frühwerk des Geertgen tot Sint Jans und die holländische Malerei des XV. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.6170#0009
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EIN FRÜHWERK DES GEERTGEN TOT SINT JANS
UND DIE HOLLÄNDISCHE MALEREI DES XV. JAHRHUNDERTS.

Von

Ludwig von Baldass.

"as Augustinerstift St. Florian bei Linz in Oberösterreich besitzt eine altnieder-
ländische Kreuzigung Christi, die in der kunstgeschichtlichen Literatur noch
keine Erwähnung gefunden hat (Tafel I). Das auf ein grundiertes Eichenbrett
gemalte Bild — es ist gegenwärtig als Leihgabe in der Wiener kaiserlichen
Gemäldegalerie ausgestellt — mißt 88 cm in der Höhe und 56 cm in der
Breite. Die beiden oberen Ecken des Bildes sind neuere schräg angesetzte
Ergänzungen. Offenbar ist die Originaltafel an diesen Stellen einst schadhaft

geworden und man hat den Schaden in der wenig pietätvollen Art früherer Jahrhunderte durch
Absägen der beschädigten und Hinzufügen neuer Teile aus der Welt zu schaffen geglaubt. Damals
wurde wohl auch der Rand des Bildes, der ursprünglich an allen Seiten in der Breite von ungefähr
einem Zentimeter unbemalt geblieben war, grundiert und auf ihm die Darstellung fortgesetzt.
Bei einer zu Beginn des Jahres 1918 in der Restaurieranstalt der Wiener kaiserlichen Gemäldegalerie
vorgenommenen sachgemäßen Restaurierung wurden starke spätere Übermalungen, die wie die An-
stückung mutmaßlich ins XVII. Jahrhundert zurückreichten, entfernt. Nur ein längs durch das Bild
gehender alter Sprung erwies sich als in barbarischer Weise an den Rändern scharf abgeschliffen;
sonst konnten nur einige kleine Fehlstellen, die durch Ausspringen von Farbteilchen zu erklären sind,
festgestellt werden. Im allgemeinen kann die Erhaltung als eine sehr gute bezeichnet werden, da
die ursprüngliche Farbenoberfläche kaum gelitten hat.

Auf der hügeligen Schädelstätte von Golgatha erhebt sich das Kreuz mit dem bereits ver-
schiedenen Erlöser. " Die beiden unteren Bildhälften nehmen rechts und links zwei festgefügte, aus
je fünf Personen bestehende Gruppen ein, die durch scharfe Zäsuren vom Kreuzesstamm getrennt
sind. Der linken Gruppe der trauernden Frauen mit der von Johannes und Magdalena gestützten,
in die Knie brechenden Maria steht rechts der bekehrte Hauptmann gegenüber. Um ihn scharen
sich drei Söldner, von denen zwei in ergriffener Andacht zum Kreuze emporblicken, während der
dritte sich in eigenartiger Weise völlig abkehrt. Hinter diesem wird der entblößte Kopf eines
jungen Mannes, der die Augen fest auf den Beschauer gerichtet hat, gerade noch sichtbar. Ich glaube
vermuten zu dürfen, daß der junge Maler hier sein eigenes Selbstbildnis angebracht hat. Hinter
den Figuren senkt sich das Terrain der Richtstätte scharf abwärts, um wieder anzusteigen und
dem Auge eine reiche Landschaft zu zeigen mit der detaillierten Wiedergabe der Stadt Jerusalem,
deren zunächst gelegenem Tore eine Schar von Reitern zustrebt, die offenbar von der Exekution
zurückkehrt.

Die farbige Erscheinung des Bildes ist bei aller kräftigen Buntheit eine rein harmonische.
Die Hauptwirkung geht von den Figurengruppen zu beiden Seiten des Kreuzes aus. Sie erhalten
links durch den hellroten Mantel des Johannes, rechts durch das dunkler rote Gewand des Haupt-
mannes ihre stärksten Akzente. Die heiligen Frauen sind mit Ausnahme der hellgrün gekleideten

xxxv.
 
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