Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 35.1920-1921

DOI Artikel:
Tietze-Conrat, Erika: Die Erfindung im Relief, ein Beitrag zur Geschichte der Kleinkunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6170#0115
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE ERFINDUNG IM RELIEF,
EIN BEITRAG ZUR GESCHICHTE DER KLEINKUNST.

Von

E. Tietze-Conrat.

ionardo entscheidet sich in seiner klassischen Auseinandersetzung über die
Vorzüge der Malerei und Skulptur 1 mit der Autorität des in beiden Künsten
wohl Erfahrenen für die Malerei. Dem feinen spekulativen Maler wird der
grobschlächtige Handwerker gegenübergestellt, der im Schweiße seines
Angesichtes sich abmühen muß, der sich «verschmiert, mit Marmorstaub
eingepudert, daß er einem Bäcker gleicht, mit kleinen Marmorsplittern über
und über bestreut, daß es aussieht, als hätte es ihm auf den Buckel ge-
schneit, in einer Behausung aufhält, die von Steinsplittern und Staub ver-
schmutzt ist». Die Schärfe der Polemik findet als eine literarische Reminiszenz Erklärung und
Milderung: im Traum des Lucian wird die Bildhauerei ähnlich geschildert2 und auch sie hat nicht
die Anziehungskraft, den jungen Herkules-Lucian an seinem Scheidewege für sich zu gewinnen.
Am ehesten noch läßt Lionardo das Relief gelten; denn es nähert sich der Malerei durch die
Raumperspektive, wenn es auch durch den Mangel der Farbperspektive und durch seine Abhängig-
keit von der Beleuchtung immer hinter dem Bilde zurückbleibt. «Sagt der Bildhauer, er werde in
Rasrelief arbeiten und auf dem Weg der Perspektive zeigen, was in Wirklichkeit nicht da ist, so
antwortet man, die Perspektive sei ein Glied der Malerei und der Bildhauer mache sich in solchem
Fall zum Maler ...» Diese hohe Einschätzung des Bildreliefs muß dem ganzen Quattrocento ge-
meinsam gewesen sein und selbst Michelangelo machte darin keine Ausnahme, so sicher wir es
nach seinen eigenen Schöpfungen erwarten würden: die Bronzetafeln Ghibertis schienen ihm doch
würdig, die Pforten des Paradieses zu schmücken !

Der Bildhauer wird zum Maler — in der Praxis wendet sich zumeist das Blatt; der Maler
ist es, der zum Bildhauer kommt, ihm beisteht und jede Hilfe gewährt, den Raum in seiner Un-
endlichkeit zu bezwingen.

Wie oft es geschehen sein mag, daß ein Maler «den Prospekt» für ein Relief beistellte, wissen
wir nicht, werden auch schwerlich zu diesen letzten Ateliergeheimnissen jemals durchdringen; die
Handzeichnungen helfen uns nicht weiter und auch die literarischen Quellen lassen uns im Stich.
Nur in der Vita des Rustici sagt Vasari (Sansoni VI, 6o3) von einem großen Rundrelief mit einer
Verkündigung, die beiden Maler Raffaello Bello und Nicolö Soggi hätten dem Bildhauer bei der
«prospettiva bellissima» geholfen.

Von dem Prospekt zur Gesamterfindung führt nur ein Schritt; und hier fließen die literari- Der Bildhauer

sehen Nachrichten wieder zahlreich, die alle beweisen, daß die gesamte Erfindung eines Reliefs w eitet nach
___ dem Entwurf des

... v Malers und des

1 Lionardo da Vinci, Das Buch von der Malerei, edid. Heinrich Ludwig: Quellenschriften für Kunstgeschichte XV,

' ' Maler-Architekten.

S. 75, 8l und passim.

- J. von Schlosser, Materialien zur Quellenkunde der Kunstgeschichte: Sitzungsberichte der Wiener Akademie der
Wissenschaften, 180. Bd., 5. Abt., S. 24.

XXXV.

14
 
Annotationen