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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Jahrbuch der K. K. Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale — NF. 1.1903

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Gnirs, Anton: Eine vorrömische Nekropole innerhalb der Mauern des antiken Pola
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https://doi.org/10.11588/diglit.47868#0057
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A. Gnirs Eine vorrömische Nekropole
war das Gefäß in Erde gebettet und bei drei Gräbern
bilden Aschen und Kohlenreste das Bettungs-
material; in zwölf Steinkisten fehlte jegliche Ein-
bettung. 19 Grabg'efäße waren in die Erde ver-
senkt worden, ohne daß sie durch die Herstellung
einer Steinkiste entsprechend gesichert wurden.
Die übrigen 36 festgestellten Grabstellen waren
von den Arbeitern eigenmächtig geöffnet worden;
der Inhalt derselben ist meist verschleppt oder
vernichtet worden, so daß in diesen Fällen eine
vollständige Festlegung der Fundumstände nicht
durchgeführt werden konnte. Brandgräber, die
ohne Urne oder Steinkiste die Asche in seichter
Erdgrube hielten, wurden 16 beobachtet. Es ist
aber anzunehmen, daß bei der Erdabgrabung eine
größere Anzahl dieser wie auch anderer Gräber
übersehen und zerstört wurde, ohne daß • man
Kenntnis von ihnen erhielt.
Mit der Beobachtung der aus der Polenser
Nekropole vorliegenden Fundumstände ergaben
sich folgende Tatsachen:
1. Die Übereinstimmung der wichtigsten For-
men mit den Funden aus den Castellieri von Vermo,
Villanuova im Quietotale, Nesactium und aus den
Pizzughi-Nekropolen bezeugt die Gleichzeitigkeit
der hallstättischen Kastellieransiedlung Pola mit
diesen altertümlichen Siedlungsplätzen Istriens.
2. Ein rein vorrömischer Charakter derNekropole
prägt sich in ihrem Fundinventar und in den sie
überdeckenden Kjökken-mödding-Schichten scharf
aus, indem die völlig ungestörten Kulturschichten
frei von Erzeugnissen römischer Provenienz ge-
funden wurden.
3. Die Bronzefunde wie die aufgesammelten
Artefakte aus Ton, Stein und Hirschhorn gewähren
keine neuen wesentlichen Anhaltspunkte für die
Festlegung der Zeit und des Kulturkreises, dem
ihre Träger angehören gegenüber dem, was die
Arbeiten von Amoroso, Hoernes, Marchesetti und
Moser ’) ergeben haben. Doch ist mit der Unter-
suchung der Polenser Nekropole die Forschung
dem Kastelliervolk Istriens wieder um etwas näher-
getreten ; mancher neue Aufschluß über die Lebens-
g-ewohnheiten dieser altertümlichen Landesbewohner
kann gewonnen werden.
’) Die vorliegenden Arbeiten stellte bereits Hoernes
zusammen M. A. G. XXIV. Dazu kommt die oben angeführte
Arbeit Sticottis über die Grabungsergebnisse aus Nesactium.

innerhalb der Mauern des antiken Pola

Auf die Übung eines sicher reich entwickelten
Totenkultus ist schon bei der Besprechung des
Kjökken-möddingshingewiesen; in seinen Schichten
lesen wir, wie durch Generationen hindurch das
Andenken der Vorfahren treu bewahrt und viel
gefeiert wurde. Die Einschlüsse verraten uns, daß
die Kasteliierleute in den Wäldern des Landes
den Edelhirsch erlegten. Fehlte bei der Mahlzeit
das Wildbret, so half man sich mit dem Fleisch
der Haustiere, von denen Schwein, Ziege, Rind
gezüchtet wurde. Neben Fischerei und Viehzucht
wird auch Ackerbau getrieben. Es fehlt nicht an
Anzeichen, daß neben dem keramischen Handwerk
auch das Schaffen textiler Erzeugnisse geübt und
zu hoher Blüte gebracht wurde. Und wenn sich dann
später Istrien im römischen Welthandel mit seinen
g'efärbten Wollwaren und Webestoffen, die in
Groß Werkstättenx) fabriksmäßig' erzeugt wurden,
eine gewisse Position errungen hat, so ist die Er-
scheinung nicht ausgeschlossen, daß hier römische
Spekulation landesübliche und von alters her über-
kommene Kunstfertigkeit weiterbildete und mit
Vorteil auszunutzen verstand.
Von den meisten Ornamenten, welche Gefäße
oder Metallgegenstände zieren, läßt sich leicht
nachweisen, daß sie sich in der textilen Technik
entwickelt haben und dann vom Töpfer über-
nommen wurden; in manchem Falle erscheint der
ornamentale Schmuck z. B. eines Grabgefäßes
(Fig. 88, 4) direkt von einer textilen Vorlage ab-
kopiert. Wenn nicht anders, so muß schon die
Anwendung der verschiedenen Schnurtechniken bei
den Schmückungsversuchen des Keramikers auf das
Schwergewicht der textilen Dekorationsarten im
Ornamentschatz des istrischen Kastelliermenschen
deutlich hinweisen.
Das Ornament, das in vertiefter Schnur-
imitation auf der Schulter eines Grabgefäßes sich
herumzieht, gibt das Bild einer alten Aufnäh-
arbeit, die als Borte irgend ein Gewandstück
gesäumt haben kann. Neben der wohl ursprüng-
licheren Art durch Aufnähen zu zieren wird dann
i) Über das Vorkommen zahlreicher antiker Fabriks-
anlagen an der Westküste Istriens vgl. Hans Schwalb:
Römische Villa bei Pola, Wien 1902, pag. 3 ff.; A. Gnirs:
Römische Wasserversorgungsanlagen im südlichen Istrien
(Programm 1901 der M.-U.-R. Pola) und den Aufsatz:
Römische Ansiedlungen aus der Gegend zwischen Pola
und Rovigno (M. Z. K. 1901, 83 ff.).
 
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