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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 1.1886

DOI Artikel:
Wolters, Paul: Mitteilungen aus dem British Museum, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29675#0069

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Wolters, Mitteilungen aus dem British Museum.

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Einflufs eines genialen Kiinstlers entstanden, weniger durch eigenes Verdienst zu
solcher Schönheit gelangt ist als durch das unbefangene frische Aufnehmen und
Wiedergeben des bereits Erreichten. -—-

Die an zweiter Stelle abgebildete Hermenbüste ist 1777 bei Genzano auf dem
Besitztum der Familie Cesarini gefunden und dann von Townley erworben worden.
Die bisherigen Abbildungen geben den Charakter des Kopfes nicht treu wieder;
vgl. Specimens of ancient sculpture I Taf. 60. Ancient Marbles II Taf. 46. Ellis,
Townley gallery I S. 326. Guide to the Graeco-roman sculptures I (1879) S. 199, 105.,
Die Büste besteht aus feinem parischen Marmor und ist von ungewöhnlich guter
Erhaltung; ergänzt ist nur auf beiden Seiten des Kopfes das Stück Binde vom
Nacken bis zur Schulter. Aufserdem fehlen Teile des Kranzes. Die ganze Höhe
der Büste beträgt o, 40 m., die Länge des Gesichtes O, 19.

Auch diesen Kopf dürfen wir als ein Werk Praxitelischer Kunst bezeichnen.
Wenn die Verwandtschaft vielleicht nicht ebenso in die Augen springt wie bei dem
besprochenen, so hat das in zwei Umständen seinen Grund. Zunächst ist der
Charakter des ganzen Kopfes, wie wir annehmen diirfen entsprechend dem Charakter
des Dargestellten, weniger zart als beim Hermes, Wangen und Kinn sind voller, die
Formen dadurch weniger reich modellirt, der Hals kräftiger, die ganze Erscheinung
weniger geistig. Verstärkt wird dieser Eindruck dann zweitens noch durch die
Haltung, welche gerade das Untergesicht so stark hervortreten läfst. Dennoch ist
der Typus des Kopfes, wie besonders ein Blick ganz gerade ins Gesicht sofort lehrt,
sehr fein. Die Stirn ist halbrund begrenzt, schön eingeteilt wie beim Praxiteli-
schen Hermes, und die Nase in ihrer kräftigen aber schönen Zeichnung erinnert
lebhaft an diesen. Sehr zart ist die Linie der Augenbrauen und ihr Ubergang
zur Augenhöhle hin. Die Nase ist unten, unmittelbar iiber den Nasenflligeln,
besonders schmal, weiter oben geht sie weniger steil in die Wangen iiber und
erscheint dadurch breiter. Der Mund ist etwas geöffnet, die Oberlippe schmal, die
Unterlippe kürzer aber breiter. Das Kinn ist vorn etwas abgeplattet.

Die lebhafte Haltung des Kopfes macht es unwahrscheinlich, dafs er gleich
anfangs als Herme componirt worden sei; er wird wol von einer berühmten und
beliebten Statue ebenso entnommen sein wie beispielsweise die Hermenbiisten des
Doryphoros und der Polykletischen Amazone aus der Herculanischen Villa. Die
Beliebtheit unserer Herme beweisen mehrere Repliken. Schon von Combe (Ancient
marbles II zu Taf. 46) ist die fiir Dionysos erklärte Hermenbiiste des Capitolinischen
Museums (Bottari und Foggini, Museo Capitolino I Taf. 87) herangezogen worden.
Kaum davon zu trennen ist die dort Taf. 84 abgebildete Hermenbiiste, wenn ihr
auch die breiten Bänder fehlen. Eine genaue Wiederholung scheint die Herme
Mtiseo Pio Clementino VI Taf. 12 (Beschreibung der Stadt Rom II, 2 S. 282, 64) zu
sein, welche der Ergänzer ebenfalls zu einem Dionysos umgestaltet hat; nach der
Abbildung und den Worten der Beschreiber zu urteilen gehört auch eine Büste des
Braccio nuovo (Pistolesi, II Vaticano descritto IV Taf. 55, 3. Braun, Ruinen und
Museen Roms S. 284, 41) hierher. Vgl. auch noch Michaelis Ancient marbles S. 232,
 
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